Süddeutsche Zeitung

Dachau: Rauchfreies Volksfest:Die Luft ist rein, raus ist die Luft

Lesezeit: 5 min

Eines der ersten Volksfeste Bayerns unter dem Diktat des Rauchverbotes. Beißen Raucher ihre Nachbarn wegen Nikotinentzuges in den Arm? Nimmt die Polizei renitente Raucher in den Schwitzkasten? Ein Praxistest in Dachau.

Tobias Dorfer und Lars Langenau

Bald ist es wieder soweit: Die Festzelte stehen schon auf der Theresienwiese. Die Horden aus aller Welt werden kommen. Die Massenintoxikation ist unvermeidlich. Das Chaos bricht aus. Es ist Wiesn-Zeit. Bald.

Bis dahin ist es ein wenig so wie in der Zeit nach der WM. Und vor dem Beginn der Bundesliga. Irgendwie ist da eine Leere, die gefüllt werden will. Und wie im Fußball der Supercup (Bayern gegen Schalke, 2:0) bietet sich für Liebhaber der Tracht, des Buftata, des süffigen Bieres in Ein-Liter-Krügen und verrauchten Bierzelten eine Alternative gleich um die Ecke: Das Dachauer Volksfest. Aber verraucht?

Eine neue Zeitrechnung hat in Bayern begonnen und schuld daran ist dieser junge Mann von der Splitterpartei ÖDP, der zuerst die Bayern - und dann die ganze Menschheit erziehen will. Vulgo: Zu Nichtrauchern. Der Mann wird verflucht vorm Bierzelt. Raucher in Tracht raunen rauchend: "Das ist doch nur eine Profilierungsgeschichte von diesem Frankenberger." Es sei doch selbstverständlich, dass man in Speiselokalen nicht rauche, aber im Bierzelt? Das sei doch vollkommen unverständlich.

Klappt also das Vorhaben von Sebastian Frankenberger? Ein Praxistest beim ersten rauchfreien Volksfest Bayerns.

Dachau. Volksfest. Schön hier. Alles kleiner und schnuckeliger als in München. Es gibt nur eine Handvoll Zelte, der Festumzug besteht aus zwei Festwagen und mehreren Gespannen, es gibt Losbuden wie den "Glückshafen" für den guten Zweck, Ponyreiten, Autoscooter, Schießbuden, Fressstände. Und im Festzelt ein erstklassig knuspriges halbes Grillhendl für 7,20 Euro. Und: Niemand braucht hier Platzangst haben. Jeder kommt, zumindest an diesem Mittag, ins Zelt. In das EINE große Bierzelt, versteht sich.

4,90 Euro für eine Maß - ein traumhafter Preis

Es herrscht gute Luft, was auch daran liegen mag, dass wir unseren Praxistest an einem Samstagnachmittag durchziehen und nicht am Abend. Es sind nur wenige Menschen da und die verhalten sich ganz gesittet. Hier tanzt noch niemand auf den Tischen, wie es die Horden aus Italien und Australien bereits am Morgen machen, wenn sie die Zelte auf der Wiesn erobern. Hier kostet die Maß nur 4,90 Euro. Ein traumhafter Preis.

Allerdings ist es schon einigermaßen absurd, dass auf der Speisekarte des Festzeltes der örtliche Tabakhändler wirbt. Für "feine ausgewählte Auslese von drei verschiedenen Pfeifentabaken für den Genießer". Etwa für die Sorte "Alt-Dachau No.2 Modern" oder "No.3 Haus Ebenburger". Nicht ohne den Hinweis, dass Rauchen im Festzelt nicht gestattet ist und der Qualmer doch bitte "auf die Raucherbereiche vor dem Festzelt" ausweichen möge.

Tatsächlich ist es bewundernswert, wie die Dachauer dem Folge leisten: Ohne Murren gehen sie vor das Zelt und an die Seitenausgänge, um zu rauchen. Aber in Dachau ist es nun wirklich kein Problem wieder reinzukommen ins Zelt, zumindest an diesem Samstagmittag.

Wir suchen nach Widerstand. Unsertwegen auch nach subtilen Akten des Widerstandes. Und dann entdecken wir es. Das Corpus delikti. Den einen Zigarettenstummel auf dem Boden. Halb aufgeraucht. Unter Tisch 12, fünfte Reihe von hinten. Irgendeiner muss da doch... Wir waren nicht dabei. Kam die die resolute Bedienung namens Kathi mit den blau-weiß glitzernd lackierten Fingernägeln vorbei, die für diese Reihe zuständig ist, und hat den Nikotinausdünstungen ein Ende bereitet? Kam der Sicherheitsdienst und ermahnte den Raucher? Droht die Todesstrafe - nicht erst durch ein Lungenkarzinom in der Zukunft, sondern gleich vor dem Zelt durch einen Raucherscharfrichter?

Dachau ist das erste Volksfest in der Region, das Deutschlands schärfstes Rauchverbot durchsetzen muss. Notgedrungen. Seit August gilt die Regelung, aber begeistert ist hier niemand davon. Die Sicherheitsleute berichten davon, dass es am Freitagabend beim Konzert der "Blechblos'n" einige Gäste Ärger gemacht hätten. Und zwar "massiv".

Zuerst habe die Bedienung freundlich darauf hingewiesen, dann sei die Security gekommen - und schließlich sei mit der Polizei gedroht worden. Und dies habe dann gereicht um auch den renitentesten Raucher vors Zelt zu jagen. Soll ja schließlich niemand sagen, man stiehlt sich aus der Verantwortung hier. Gesetz ist Gesetz. Aber wie das beim Oktoberfest gehen soll? Wird das für Raucher wie auf Langstreckenflügen, wenn der Nikotinentzug so stark wird, dass man seinem Nachbarn in den Arm beißen möchte? "Unmöglich, das Verbot dort durchzusetzen. Da kommt man doch nie wieder rein ins Zelt", meinen die Sicherheitsleute und grinsen: "Aber da müssen wir ja nicht arbeiten."

Am Samstagmorgen gingen die Leute von der Security durch das Festzelt und fanden weniger Zigarettenstummel als sie gedacht hatten. Aber ihnen ist bewusst, dass mit steigendem Alkoholkonsum sowohl die Hemmschwelle beim Anmachen der Mädchen als auch der Zigarette sinkt. Deshalb haben sie eine klare Order: Erst ermahnt die Bedienung, dann der Sicherheitsdienst (mindestens zweimal) und sollte das immer noch nichts bewirken, dann wird die Polizei geholt.

Zigarettenrauch? "Das ist eklig"

Doch am Samstag ist bis zum Nachmittag ist der Rauchwiderstand gegen die Staatsgewalt offenbar die Ausnahme - und muss heimlich und unentdeckt erfolgt sein, wie auch die alte bayerische Tradition des Stockpieselns ja heimlich unterm Tisch erfolgt. Problemlos kann man seine Gegenüber erkennen, das Atmen fällt leicht und wäre das nicht so abgeschmackt, könnte man sagen: Die Luft ist rein. Fast schon zu rein für ein Volksfest, für ein Epizentrum des bayerischen Brauchtums. So sind wir das nicht gewöhnt.

Das Rauchverbot hat durchaus Vorteile, vor allem wenn man mit Neugeborenen das Festzelt besuchen will. Aber es wirkte ein wenig so, als ob hier bei dem Fest schon früh die Luft raus ist. Und im Gedränge da sind wir uns sicher und kennen das aus Diskos, da riechen die Menschen ohne Rauchschwaden extrem nach Schweiß und nach einem Regenschauer nach nassen Hunden. Dem wollten wir nachschnüffeln im kleineren Partyzelt, das ist ganz neu. Aber da war noch nichts los.

Wo sind bloß die ganzen Dachauer am Samstagnachmittag? Autos waschen? Einkaufen? Zu Hause rauchen? Wir wissen es nicht, aber auch bei Luise Krispenz, die mit 21 Jahren jüngste Abgeordnete im Stadtrat, kommt so gar keine Stimmung auf. Mag daran liegen, dass auch sie nicht so begeistert ist vom Rauchverbot, auch wenn - oder weil - sie von den Grünen kommt. Aber sie hat sich damit abgefunden. "Man muss akzeptieren, was die Mehrheit entscheidet". Eine andere Festzelt-Besucherin, die selbst nicht raucht, störte sich bislang nur am Zigarrenrauch. "Das ist eklig", sagt Marina, die nur zwei Minuten von hier wohnt. Warum ist darauf eigentlich niemand gekommen? Nur den Zigarrenrauch zu verbieten?

Aber es ist ja erst Samstagmittag, und vor zwei Stunden hat Dachaus Oberbürgermeister Peter Bürgel das Bierfass angestochen, seitdem fließt Bayerns günstigstes Volksfestbier in die Krüge. Die Ludwig-Thoma-Musikanten spielen "Auf der Vogelwiese geht der Franz". Und nachher den "Anton aus Tirol".

Hier bleibt kein Wunsch unerfüllt. Das findet auch die erste bayerische Bierkönigin Franziska Sirtl, die seit November vergangenen Jahres das "Tourismusland Bayern" präsentieren darf und noch bis zum Frühjahr kommenden Jahres unverdrossen Brauereifeste besucht. "Auch bei der Wiesn bin i a dabei", sagt sie. Allerdings müsse sie noch "austüfteln, wann und wo".

Es ist halb drei, die Bierkönigin hat mit ihrem Gefolge soeben das Festzelt verlassen. Die Luft ist raus. Zumindest bis zum Abend.

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