Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in München:Neue Strategien fürs Selbststudium gesucht

Lesezeit: 3 min

Von Jakob Wetzel, München

Es ist noch nicht vorbei: Auch nach den Osterferien wird der Großteil der Schülerinnen und Schüler weiter zu Hause lernen. Nur die Abschlussklassen sollen vom 27. April an wieder in den Schulen unterrichtet werden, mit strikten Regeln für Abstand und Hygiene. Auch Kitas bleiben, abgesehen von der Notbetreuung, geschlossen. Das erklärte die Staatsregierung am Donnerstag. An Münchner Schulen stößt der Schritt auf Zustimmung. Zugleich aber stehen sie nun erneut vor einer Herausforderung - und es wachsen die Sorgen vor der Zeit nach Corona.

Die Schulen nicht zu öffnen, sei "in der jetzigen Situation richtig", findet etwa Martin Rothenaicher, Leiter der Grundschule an der Ichostraße in Giesing. Doch nach den Ferien könne man nicht weitermachen wie bisher. Nicht, weil ab dem 27. April die Notbetreuung ausgebaut werden soll. Das sei kein Problem; schon jetzt würden täglich acht bis zwölf seiner 285 Schülerinnen und Schüler trotz Corona-Schließung betreut. Doch bisher hätten die Lehrer vor allem Stoff wiederholt. Jetzt müssten sie neuen durchnehmen. "Wir müssen uns neue Strategien überlegen, wie das im Selbststudium gelingen kann." Für Grundschüler sei das schwierig.

An der Ichoschule erhielten die Kinder zuletzt täglich eine E-Mail ihrer Klassenlehrer mit den Aufgaben des Tages. Die vom Staat empfohlene Lernplattform "Mebis" nutzt die Schule nicht, die sei für Grundschüler schwer zu bedienen, erklärt Rothenaicher. Auch Videokonferenzen seien schwierig. "Weder die Schulen noch die Familien sind alle so ausgestattet, dass das flächendeckend funktionieren kann."

Pädagogisch sei die derzeitige Lage ohnehin hochproblematisch, sagt der Direktor des Max-Planck-Gymnasiums in Pasing, Ulrich Ebert. Von seinen 940 Schülerinnen und Schülern stehen etwa 110 vor dem Abitur, sollen also ab dem 27. April wieder in die Schule gehen. Wann die übrigen dazustoßen, steht noch nicht fest. Gesundheitspolitisch gebe es keine Alternative, als die Schulen noch geschlossen zu halten, sagt Ebert, "ich stehe da auch dahinter". Aber auch die besten digitalen Lösungen ersetzten nicht den Unterricht. Je länger geschlossen sei, desto weiter werde ein Teil der Schüler zurückfallen. "Wir werden danach massiv nacharbeiten müssen."

Das Max-Planck-Gymnasium setzt auf "Mebis" und will das auch weiterhin tun. Dort stellten die Lehrer Aufgaben und Unterrichtsmaterial ein. Das Portal laufe mittlerweile weitgehend stabil, sagt Ebert. Mit Videokonferenzen könne man allenfalls ergänzend arbeiten. Manche Eltern würden sich zwar mehr Unterricht wünschen. "Andere aber bitten uns darum, dass die Kinder möglichst wenig online arbeiten. Weil die Eltern zum Beispiel im Home-Office arbeiten und das Endgerät selber brauchen."

Wie der Unterricht auch nach Ostern digital funktionieren kann, muss jede Schule für sich klären - auch bei der Stadt mit ihren 20 Realschulen, 14 Gymnasien und 85 beruflichen Schulen. Jede Schule habe ein Konzept entwickeln sollen, das Bildungsreferat habe diese nur überprüft, sagt Stadtschulrätin Beatrix Zurek. So werde es nun erneut sein. Die Bedingungen seien zu unterschiedlich, um zentral zu entscheiden, ob etwa die, wie gewünscht, verkleinerten Klassen von verschiedenen Lehrern parallel oder von derselben Lehrkraft nacheinander unterrichtet werden.

Zumindest räumlich sieht Zurek kein Problem, auch wenn alle Schüler Abstand halten sollen - jedenfalls solange nur die Abschlussklassen in die Schulen sollen. Und wenn die übrigen kommen? Kultusminister Piazolo sei da bisher vage geblieben, "deswegen kann ich auch noch nicht konkreter werden", sagt sie. Doch wenn etwa auch Viertklässler im Mai wieder in die Schulen sollen, werde es spannend.

Das gilt auch für die Ichoschule. Die ist eigentlich auf Ganztag ausgerichtet; Schulkantinen aber sollen vorerst nicht wieder öffnen. Doch eine Rückkehr zur Normalität ist gar nicht geplant: Schule werde vorerst nicht so stattfinden wie gewohnt, sagte am Donnerstag Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler).

Die städtischen Kindertagesstätten haben derweil umdisponiert. Kurzarbeit sei hier kein Thema, sagt Stadtschulrätin Zurek. Erzieherinnen, die in den Einrichtungen nicht gebraucht würden, übernähmen nun Verwaltungsaufgaben: Die Kita-Plätze etwa würden derzeit rasch vergeben. Oder sie würden zum Beispiel das Gesundheitsreferat unterstützen. Doch das Ende sei absehbar: "Wenn die Notbetreuung vom 27. April an ausgeweitet wird, aber die Gruppen klein bleiben sollen, dann werden wir jede Kollegin und jeden Kollegen brauchen", sagt Zurek.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4878540
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.