Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:111 neue Fälle in München und ein dritter Todesfall

Lesezeit: 2 min

Von Ekaterina Kel, München

Weiterhin steigende Fallzahlen machen die Suche nach einem Medikament gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 immer dringender. Am Donnerstag meldete die Stadt 111 neue Fälle. Damit sind insgesamt 1687 Infektionen in München bestätigt. Bereits der dritte Todesfall in einer Woche, ein 88-Jähriger mit Vorerkrankungen, zeigt, dass mit jedem Tag die Gefahr für die Bevölkerung größer wird.

Nun helfen gleich zwei große Münchner Krankenhäuser bei der Suche nach einem wirksamen Medikament gegen das Virus. Am Donnerstag verkündete das Uniklinikum rechts der Isar der Technischen Universität seine Teilnahme an einer international angelegten Studie der Phase drei, in der das Medikament Remdesivir getestet wird.

Bereits am Dienstag hat auch das Klinikum München-Schwabing, in dem aktuell die meisten Covid-19-Patienten in der Stadt behandelt werden, bekannt gegeben, an derselben Studie teilzunehmen. Es ist die bundesweit erste Studie eines Medikaments gegen das neue Coronavirus. Außer den beiden Münchner Einrichtungen sind das Hamburger Uniklinikum Eppendorf und das Uniklinikum Düsseldorf daran beteiligt.

Man arbeite gemeinsam "mit maximalen Kräften" an einer Entwicklung der Therapie, sagt Christoph Spinner, Infektiologe am Klinikum rechts der Isar. Noch nie habe er erlebt, dass so schnell eine Studie der Phase drei in die Wege geleitet worden sei: "Binnen einer Woche kamen die Entscheidungen von den Aufsichtsgremien." Die Studie wird dringend benötigt. Spinner berichtet von mittlerweile mehr als 60 Covid-19-Patienten. Man habe am Donnerstag bereits die zweite Intensivstation für Covid-19 geöffnet.

Remdesivir ist ein Präparat des US-Biotech-Unternehmens Gilead, das allerdings nirgendwo auf der Welt als Arznei zugelassen ist. Ursprünglich wurde es gegen das Ebolavirus entwickelt und gilt als gut verträglich, zeigte wohl aber nicht den erwünschten Effekt bei erkrankten Patienten. Nun ist der Name Remdesivir wieder in aller Munde - das Medikament gilt im Moment als größter Hoffnungsträger im Kampf gegen das Coronavirus Sars-CoV-2.

Remdesivir besitzt sogenannte virostatische Eigenschaften, das bedeutet, der Wirkstoff hemmt die Vermehrung der Viren im Körper des Patienten. Es gebe Einzelberichte, von denen "ermutigende Signale" ausgehen, ließ sich Clemens Wendtner, Chefarzt von der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing am Dienstag in einer Mitteilung zitieren. In Fällen individueller Heilversuche können Ärzte einem Patienten nach strengen Auflagen noch nicht zugelassene Medikamente geben, wenn alle anderen Therapiemethoden ausgeschöpft wurden. So bemühte sich zum Beispiel ein Arzt am Klinikum Weilheim bereits vor mehreren Wochen darum, seinem Patienten in kritischem Zustand Remedesivir geben zu dürfen.

In der Phase drei der angelaufenen klinischen Studie sollen die vereinzelten guten Erfahrungen nun an vielen Patienten bestätigt werden und verlässliche Daten liefern. Insgesamt sollen 600 Patienten mit moderaten Symptomen und 400 Personen mit schwerer Symptomatik wie zum Beispiel einer heftigen Lungenentzündung Remdesivir bekommen. Die Patienten liegen in 50 Krankenhäusern auf der ganzen Welt. Spinner vom Klinikum rechts der Isar erhofft sich "vielleicht schon bald" klinische Erkenntnisse - genaueres lasse sich noch nicht sagen. Nur so viel: "Experimentelle Labordaten von Remdesivir sind vielversprechend und wecken Hoffnung für die klinische Wirksamkeit." Sollte die Studie erfolgreich sein, könnte das Mittel frühestens Ende 2020 auf den Markt kommen, sagt Wendtner.

Allerdings ist Remdesivir längst nicht der einzige Hoffnungsträger der Ärzte und Wissenschaftler. Das Klinikum rechts der Isar bemüht sich um weitere Studien mit entzündungshemmenden Wirkstoffen. "Wir sind in frühen und fortgeschrittenen Verhandlungen um eine Handvoll vielversprechender Stoffe", heißt es. In Kürze könnte die Prüfung eines Wirkstoffs beginnen, der die Aufnahme des Sars-CoV-2 in die Zelle verhinder könnte. Spinner glaubt, vor allem groß angelegte Forschungsprojekte seien der richtige Weg, um das Coronavirus aufzuhalten: "Es hilft nicht, wenn jeder in seiner Küche ein eigenes Süppchen kocht."

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Quelle:
SZ vom 27.03.2020
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