Süddeutsche Zeitung

Clubs in München:Früher war alles besser - auch die Musik

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Viele Münchner, die über das Oberstufenalter hinaus sind, mögen Indiepop - und ein bisschen Elektro. Doch dafür gibt es im Nachtleben kein adäquates Angebot. Warum eigentlich?

Kolumne von Oliver Klasen

Wer in den Neunzigerjahren in der Provinz groß geworden ist, ging abends in Läden, die "Sound", "Flash" oder "Heaven" hießen. Gerne vor 23 Uhr, denn dann sparte man sich mitunter sechs Mark Eintritt und es blieb mehr Geld für klebrige Wodka-Lemon. Der DJ spielte Songs, zu denen man entweder auf der Tanzfläche headbangen oder am Rand halbgar mitwippen konnte.

Auch später, als man in der Großstadt lebte, waren in den Clubs noch eine Weile gitarrenbetonte Rocksongs zu hören, in München gerne leicht britpoplastig. "Keller", "Backstage" "Cord" oder "Prager Frühling" waren die bevorzugten Adressen dafür. Das von vielen geliebte Atomic Café hielt bis Ende 2015 durch, dann gingen in der Neuturmstraße die Lichter aus - für immer.

Heute ist die Indie-Disco deutlich ärmer geworden. Ja, es gibt den Cord Club und das Milla, auch woanders spielen sie ab und an Indie. In den meisten Clubs der Stadt läuft aber Elektro, House, Techno, Elektrohouse, Technohouse, Elektrotechno. Vereinzelt werden auch Nischen bedient, Hip-Hop, Reggae, R'n'B, Metal, Gothic und so weiter. Und dann gibt es Sachen wie Schlagerpartys, 80er-Jahre-Partys, 90er-Jahre-Partys, Wiesnpartys und After-Wiesn-Partys. Wird in diesen Clubs doch mal Indie gespielt, ist es ein Abklatsch von Altbekanntem, eine Revival-Resterampe. Da läuft dann "Don't look back in anger" und was von den Arctic Monkeys und alle sagen sich, wie cool das früher alles war.

Ist ja ein Fortschritt, dass man sich - im Gegensatz zu der Zeit als Oberstufenschüler - heute nicht mehr in eine Jugendbewegung einsortieren muss, mit dazugehörigem Style- und Musikdiktat. Auch wenn man zu Hause bevorzugt Singer-Songwriter-Musik hört, macht es Spaß, sich bis zum Sonnenaufgang Beats und Bässen hinzugeben.

Aber wenn so viele Münchner "Indiepop und ab und zu mal ein bisschen Elektro" mögen, warum gibt es dafür im Nachtleben kein adäquates Angebot? Wo ist das interessante Zwischennutzungsprojekt, das es musikalisch gelegentlich mal mit Gitarrenmusik versucht? Wo ist der DJ, der - sagen wir - das neue Album von Grizzly Bear im Repertoire hätte?

Man muss nicht so weit gehen wie einst Morrissey, der frühere Sänger der britischen Indieband The Smiths. Der wollte alle DJs aufhängen lassen, weil sie angeblich Musik spielten, die nichts mit seinem Leben zu tun habe. Aber kritisch nachzufragen lohnt sich manchmal schon einmal.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2017
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