Süddeutsche Zeitung

Retrospektive im Filmmuseum München:Zu den Ursprüngen des Kinos

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Claire Simon ist eine wahrhafte Cineastin, seit 40 Jahren verbindet sie Spiel- und Dokumentarfilm. In München wird der Französin nun eine große Hommage gewidmet.

Von Fritz Göttler

Womöglich sind das die wahrhaften Cineasten, jene Filmemacher und Filmemacherinnen, die beides machen, Spielfilm und Dokumentation - und oft Filme, die beides sind, in denen die beiden Genres ineinanderspielen. In diesem Sinne führt die große Reihe mit Filmen von Claire Simon, die am Dienstag, 9. Januar, im Filmmuseum beginnt, direkt an die Ursprünge des Kinos.

Seit 40 Jahren macht Claire Simon Filme, aber sie ist kaum bekannt bei uns. Die Filme und ihre Geschichten gehen von Orten aus, manchmal bleiben sie die ganze Zeit an diesem einen Ort.

Ein kleiner Schulhof in "Récréations", wo sie ihre Tochter und deren Schulkameraden während ihrer Unterrichtspausen filmt. Der östlich von Paris gelegene Bois de Vincennes, die größte Grünfläche der Stadt, in "Le bois dont les rêves sont faits", der verwunschene Wald, aus dem die Träume gemacht werden. Ein Zentrum für Familienplanung in Paris, wo Frauen beraten werden, in "Les bureaux de dieu/Das Büro Gottes" - die Hilfesuchenden sind wirkliche Klienten, die Beraterinnen werden gespielt von Stars wie Nathalie Baye, Béatrice Dalle oder Nicole Garcia.

Nicole Garcia spielt auch im Film "Gare du Nord", 2013, der auf dem Pariser Bahnhof entstand, der mit seinen labyrinthischen Dimensionen eine Ahnung von Schicksal und Jenseitigkeit beschwört, wo Menschen zu Phantomen werden.

Im selben Jahr hat Simon auch einen zweiten Film in diesem Bahnhof gedreht, in dem der Soziologieprofessor Simon, ein alter Jugendfreund, Sohn algerischer Immigranten, Passagiere und Passanten befragt. "Géographie humaine" heißt der Film, es geht um Herkunft und Heimat, Fremde und Geborgenheit. "Das Nächstliegende kann sehr weit führen, in jene Weite, die das Begehren und die Träume eröffnen", schrieb im Oktober Romain Lefebvre über das Werk von Caire Simon, in den Cahiers du cinéma.

Immer wieder stehen einzelne Frauen im Mittelpunkt. Mit der sechzigjährigen "Mimi" streift Simon 2002 durch Orte von deren Vergangenheit, Nizza und das Gebirgsdorf Saorge, gemeinsam beschwören die beiden Frauen Frankreichs Geschichte im vorigen Jahrhundert. Um die Schriftstellerin Marguerite Duras geht es in "Vous ne désirez que moi", kunstvoll reflektiert in der Liebesgeschichte der Duras mit dem 40 Jahre jüngeren schwulen Lebensgefährten, Yann Andréa.

Für ihren bislang letzten Film "Notre Corps" ging Claire Simon in die gynäkologische Abteilung eines Pariser Krankenhauses, da geht es um Geburt und Befruchtung und Krebsdiagnose, um die Präsenz der Körper, die der Frauen, die Trans-Körper und den der Filmemacherin selbst. Der Film wurde voriges Jahr auf der Berlinale erstaufgeführt, er läuft am Sonntag, 14. Januar, im Filmmuseum, und Claire Simon wird bei der Vorführung anwesend sein.

Retrospektive Claire Simon , Di., 9. Jan., bis Mi., 28. Feb., Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1, Karten unter Telefon 23324150

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