Süddeutsche Zeitung

Neues Museum:Kühl bleiben

Lesezeit: 3 min

Mit viereinhalbjähriger Verspätung hat das Christian-Schad-Museum in Aschaffenburg eröffnet. Der Protagonist der Neuen Sachlichkeit wird auf drei Etagen mit einer sehenswerten Gesamtschau gewürdigt, die manche Überraschung bietet.

Von Sabine Reithmaier, Aschaffenburg

Der Weg war lang und hürdenreich. Eigentlich sollte das Christian-Schad-Museum in Aschaffenburg schon Ende 2017 eröffnen. Doch die Arbeiten im denkmalgeschützten Ensemble des ehemaligen Jesuitenkollegs in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kunsthalle Jesuitenkirche gingen nicht so schnell voran wie erhofft. Als das Gebäude nach vier Jahren 2019 fertig war, streikte die Klimaanlage. Doch jetzt passt nicht nur das Raumklima, sondern auch die Corona-Lage erlaubt eine schwungvolle Eröffnung für das neue Haus, übrigens das achte Museum der Stadt. Auf drei Etagen bietet es eine einzigartige Gesamtschau des Künstlers, den die meisten Zeitgenossen als Protagonisten der Neuen Sachlichkeit abgespeichert haben.

Dabei schuf Schad (1894 - 1982) noch so viel anderes. Die Schadographien zum Beispiel, wie die Experimente mit kameraloser Fotografie später nach ihm genannt wurden. Von 1918 an arrangierte er Zeitungsausrisse, Pflanzenteile und andere Objekte auf lichtempfindlichem Papier, belichtete sie unterschiedlich lang. Jetzt tauchen die verschwommenen Formen, Schattenrissen ähnlich, als hinterleuchtete Motive schon an den Außenfassaden des neuen Museums auf, das - wen wundert's - natürlich teurer geworden ist als geplant. Die Kosten stiegen von 4,6 Millionen auf mehr als 6,5 Millionen Euro.

"Es gibt viele Museen, die einen Schad zu bieten haben", sagt Museumsdirektor Thomas Schauerte und zählt jede Menge berühmter Häuser in München, Madrid, New York oder Berlin auf. "Aber eben nur einen. Den Werksquerschnitt kann nur unser Haus bieten." Das verdankt die Stadt Bettina Schad. Die Witwe des Künstlers rief im Jahr 2000 die Christian-Schad-Stiftung ins Leben, der sie den künstlerischen und schriftlichen Nachlass des Künstlers übergab, verknüpft mit der Auflage, in Aschaffenburg ein Schad-Museum zu errichten. Schließlich hat der Maler hier mehr als 40 Jahre gearbeitet, die meiste Zeit in seinem Atelierhaus in Keilberg, einem Dorf unweit der Stadt, dort ist er auch begraben.

Das Ausstellungskonzept entwickelt hat Schauertes Vorgänger Thomas Richter. Sein Plan: nicht nur eine kunsthistorische Werkschau zu präsentieren, sondern die Schaffenszeit Schads auch aus einer kulturhistorischen und politischen Perspektive zu reflektieren. "Schad hat schließlich das ganze Elend der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert als Zeitzeuge mitbekommen", sagt Schauerte. So erzählt das biografisch aufgebaute Museum auch die an Brüchen reiche Geschichte des 20. Jahrhunderts, gespiegelt im Schicksal des Malers.

Schad, 1894 in Miesbach geboren und in München aufgewachsen, hatte das Glück, reiche Eltern zu haben, die vom Talent ihres Sohns überzeugt waren. Sie nahmen es hin, dass er kein Abitur machte und das Studium an der Akademie nach wenigen Semestern wieder abbrach. "Sie haben ihn finanziert, bis er ungefähr 40 Jahre alt war", berichtet Schauerte. Der Einberufung in den Ersten Weltkrieg entgeht der junge Maler dank eines gefälschten Attests, das ihm der Vater, ein einflussreicher Justizrat, besorgt. Er flüchtet in die neutrale Schweiz, erst nach Zürich, lernt Hugo Ball, Emmy Hennings und Hans Arp kennen, erlebt die Entstehung der Dada-Bewegung mit. Dann zieht er gemeinsam mit dem Literaten Walter Serner 1916 nach Genf, malt mal expressionistisch, mal kubistisch, experimentiert mit seinen abstrakten Lichtzeichnungen, den erwähnten Schadographien.

Mit der Rückkehr ins traumatisierte München endet die Episode des Dadaismus für Schad. Ganz klassisch begibt er sich nach Italien, um sich als Maler weiterzubilden. Die ersten realistischen Porträts entstehen, 1924 malt er mit Genehmigung des Vatikans sogar Papst Pius XI. Und er heiratet, zieht mit Frau und Kind nach Wien. Die Ehe hält nicht lang. Allein wechselt Schad 1928 nach Berlin, studiert das mondäne Großstadtleben, aber auch das Milieu der Prostituierten und Homosexuellen, davon erzählen Zeichnungen wie die "Liebenden Knaben". Und er malt all die unterkühlten, technisch perfekten Porträts, die seinen Ruhm begründen.

Auch wenn das Aschaffenburger Museum seine Meisterwerke nicht besitzt, verfügt das Haus doch über jede Menge sehenswerter Exponate - 200 aus dem 3200 Werke umfassenden Bestand werden derzeit gezeigt. Den Museumschef beeindruckt vor allem, dass Schad nie einen anderen Künstler nachahmte. "Er entwickelt alles aus sich selbst heraus, ein konsequenter Autodidakt." Menschlich sei er schwierig gewesen, ohne Empathie, nur auf sich selbst konzentriert. "Er war wohl auch als Mensch neu-sachlich", glaubt Schauerte.

Die Anpassung an die Nationalsozialisten fällt Schad nicht schwer. Im Mai 1933 tritt er in der NSDAP ein. Seine realistische Kunst gilt nicht als entartet, er erhält kein Berufsverbot, bemüht sich um Aufträge. "Er war der klassische Mitläufer", sagt Schauerte. Populär wird sein Porträt der Ufa-Schauspielerin Kristina Söderbaum, das, in einer Zeitschrift abgedruckt, einen Aschaffenburger Freiherrn so begeistert, dass er Schad im Jahr 1942 einen ersten Auftrag erteilt: Ein Porträt seiner Frau. Dem privaten folgt ein großer lukrativer öffentlicher Auftrag, der Schad einige Jahre an die Stadt bindet. Und Bettina Mittelstädt, eine junge Schauspielerin, rettet 1943 die Werke ihres späteren Manns zum ersten Mal, holt sie aus dem durch eine Mine beschädigten Berliner Atelier nach Aschaffenburg. Dass sie damit bereits den Grundstein für das jetzt eröffnete Museum legte, war ihr sicher nicht bewusst.

Christian-Schad-Museum, Pfaffengasse 26, Aschaffenburg, Di. 10-21 Uhr, Mi. bis So. 10-18 Uhr. Freier Eintritt von 4. - 6. Juni

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5597397
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.