Süddeutsche Zeitung

Bildung in München:Wie die Stadt Ganztagsschulen attraktiver machen will

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Von Melanie Staudinger, München

Längere Betreuungszeiten für die Kleinen, mehr Mitsprache für jugendliche Schüler und größere Freiheiten für die Gymnasien: Das städtische Bildungsreferat will mit einer großen Ganztagsoffensive ins Jahr 2018 starten. Ganz oben auf seiner Prioritätenliste stehen Verbesserungen im Grundschulbereich.

Die Hortmisere vom vergangenen Schuljahr soll sich nicht noch einmal wiederholen, wie Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erklärt. Und auch für die städtischen Gymnasien werde es ein neues Konzept geben. Wenn im September aus dem achtjährigen Gymnasium (G 8) wieder ein neunjähriges (G 9) wird, sollen die Schüler im Ganztag mitbestimmen dürfen, wie ihr Unterricht aussieht.

Es ist kein Geheimnis, dass der Ganztagsunterricht in München keine allzu breite Zustimmung findet. Den einen Eltern sind die Betreuungszeiten am Nachmittag zu kurz, die anderen stört, weil sie in den Ferien nach Alternativen suchen müssen. Wieder andere Familien wollen gar nicht, dass das Kind jeden Nachmittag in der Schule verbringt, weil es noch genügend Zeit haben soll für Klavierunterricht, Fußballtraining oder Malkurs.

Und älteren Schülern vergeht schnell die Lust, wenn sie ihren ganzen Tagesplan von Erwachsenen diktiert bekommen. Das Image des Ganztags steht im Gegensatz zum pädagogischen Nutzen: Denn Bildungsgerechtigkeit lässt sich viel besser erreichen, wenn die Kinder bis in den Nachmittag hinein in der Schule sind und sich Lern-, Erholungs- und Spielphasen abwechseln - das haben Studien längst belegt.

Stadtschulrätin Zurek will den Ganztag nun attraktiver gestalten, und das auf mehreren Ebenen. Flexibler soll er werden, erklärt sie, so passend, dass Eltern ihre Kinder wieder gerne schicken. Vor allem an den Gymnasien soll sich durch die Rückkehr zum G 9 einiges ändern. "Gerade Jugendliche empfinden den Ganztag oft als übergestülpt. Sie wollen mehr beteiligt werden", sagt Zurek. Noch im ersten Halbjahr will sie dem Stadtrat ein neues Ganztagskonzept für die 14 städtischen Gymnasien vorlegen.

Bei den Pflichtstunden werde sich freilich nichts ändern, hier ist das Bildungsreferat ebenso wie die 23 staatlichen Gymnasien an den bayernweit geltenden Lehrplan gebunden. "Aber wir wollen ausloten, welche Spielräume wir haben", sagt Zurek. Denkbar sei beispielsweise, dass Schüler entscheiden könnten, ob sie lieber einen Theaterworkshop hätten oder mehr zusätzliche Lernzeit.

Zusätzliche Angebote kosten allerdings. "Wir überlegen gerade, wie wir den Ganztag finanziell ausstatten", sagt Zurek. Immer wieder gab es Kritik aus Reihen der Schulleiter, die die Zuschüsse des Freistaat als unzureichend empfinden. Die Mittel sind von vielen Faktoren abhängig und variieren von Jahr zu Jahr. Öfter mussten Schulen improvisieren, weil sie ihr laufendes Angebot aufrecht erhalten wollten, plötzlich aber Dutzende Lehrerstunden weniger zugewiesen bekamen.

Die Eltern wünschen sich längere Öffnungszeiten am Nachmittag

Schon jetzt stellt die Stadt über die sogenannte bedarfsorientierte Budgetierung den Schulen, die in sozial schwächeren Stadtvierteln liegen und damit ein bildungsferneres Klientel haben, mehr Geld. Auch finanziert sie an den Gymnasien "Skill-Stunden", in denen die jüngeren Schüler lernen, wie sie Referate halten, ihr Lernen organisieren oder wie sie richtig recherchieren.

Wie genau die künftige Schulfinanzierung aussehen soll, will Zurek noch nicht verraten. Es könnte aber darauf hinauslaufen, dass die Stadt ihren Gymnasien mehr Lehrerstunden bezahlt, auch wenn diese nicht komplett vom Freistaat erstattet werden. Somit könnten Schulen eigene Wege gehen und für ihre Schüler passgenaue Zusatzangebote schaffen.

Auch im Grundschulbereich soll sich etwas ändern. Im vergangenen Schuljahr kam es zu extremen Engpässen bei der Nachmittagsbetreuung: Die Horte waren überbucht, auf der anderen Seite konnten wegen fehlender Anmeldungen Ganztagsklassen nicht gebildet werden - die Eltern wünschen längere Öffnungszeiten am Nachmittag und in den Ferien, als die Ganztagsschule bietet. Hier sucht die Stadt gemeinsam oder, wie es offiziell heißt, "in Verantwortungsgemeinschaft" mit dem Freistaat nach Lösungen, weil dieser die Schulen betreibt.

Bisher waren sich Stadt und Freistaat in der Ganztagsfrage nicht allzu einig. Während das Kultusministerium gerne den offenen Ganztag propagiert, bei dem Eltern Nachmittage nach eigenem Willen hinzubuchen können, hat die Stadt den Ausbau der gebundenen Form bevorzugt. Daran will Zurek grundsätzlich festhalten: "Wir müssen eine Lösung finden, die den gebundenen Ganztag nicht killt."

Ein Lösungsansatz könnte sein, dass die Stadt den Ganztagsunterricht mit Zusatzbetreuung in einem ihrer Horte oder in einem Tagesheim verlängert. Erste Modelle werden bereits erprobt, in der neuen Grundschule am Bauhausplatz in Schwabing zum Beispiel, in der die Kinder nicht wie im Ganztag bisher üblich am Freitagmittag heimgeschickt werden, sondern wie an den anderen Wochentagen bis abends weiterbetreut. Gleiches gilt für die Ferien: Auch dann können Eltern ihre Kinder in der Schule abgeben. Eine abgespeckte Fassung hat bisher die Grundschule an der Türkenstraße erprobt, wo die Ganztagskinder am Freitagnachmittag den Hort besuchen können.

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SZ vom 22.12.2017
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