Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Filmpreis:Tränen, Freude und ein bisschen Frust

Lesezeit: 2 min

Bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises gelingt es den Veranstaltern, die Preisträger auf der Bühne emotional zu berühren. Nur bei der Auszeichnung von "Wackersdorf" kommt kurz schlechte Stimmung auf.

Von Philipp Crone

Das Raumschiff steht einen Meter über dem Prinzregententheater, eine Luke öffnet sich, der vernichtende Laserstrahl ergießt sich nach unten, und es ist nur eine Frage von Sekunden, bis alles einstürzt.

So etwa müsste Roland Emmerich, 63, der seit Jahrzehnten erfolgreichste Weltenzerstörer in Hollywood, beim Bayerischen Filmpreis auftreten. Ausnahmsweise darf er allerdings an dem Abend nichts zerdeppern wie zuletzt in "Independence Day: Wiederkehr", sonst stünde er ja in Schutt und Asche, wenn ihm der Ministerpräsident den Ehrenpreis überreicht.

Als Emmerich dann am Freitagabend über den roten Teppich geht, passiert rein gar nichts, was auch daran liegt, dass der eher scheue Regisseur so zügig an den Fotografen und hingehaltenen Mikrofonen vorbeiläuft, dass sogar der ebenfalls schnellschrittige Gastgeber Markus Söder kaum nachkommt. Immerhin ist die Kulisse wie für Emmerich gemacht, die Außenbedingungen erinnern an "The Day After Tomorrow", seine Eiszeit-Apokalypse von 2004.

Hape Kerkeling, dessen Lebensgeschichte Caroline Link in "Der Junge muss an die frische Luft" verfilmt hat, spricht nur kurz von einem "Meisterwerk" und entschwindet ins Warme, während Schauspieler David Kross und Regisseur Marcus Rosenmüller, die zusammen den Torwartfilm "Trautmann" gedreht haben, ausdauernd bei minus drei Grad posieren. Wobei Matthias Brandt entspannt verkündet, die Temperaturen seien kein Vergleich zur Berlinale mit dem Eiswind am Potsdamer Platz. Das sehen die fünf jungen Frauen in ihren Trägerkleidern allerdings etwas anders, die zitternd auf ihren kurzen Foto-Auftritt warten. Aller Darstelleranfang ist schwer, und kalt.

Drinnen geht es dann zügig los, Sebastian Bezzel dankt als Sieger des Publikumspreises für "Sauerkrautkoma" artig, bemerkt aber mit Blick auf Söder, dass der Film bei der Wahl "im Gegensatz zu Ihnen letzte Woche starke Konkurrenz" hatte. Kross und Rosenmüller sehen mit breitem Lächeln zu, wie "Trautmann"-Produzent Robert Marciniak den Produzentenpreis entgegennimmt und den ersten Danke-Rekord aufstellt. Als Kerkeling und sein Jugend-Darsteller, der elfährige Julius Weckauf, Link auf der Bühne überraschen, ist die kurz sprachlos, bevor sie den Regie-Preis entgegennimmt.

Dann kommen die Tränen. Aron Lehmann wird von seinen Darstellern Aaron Hilmer und Luna Wedler aus "Das schönste Mädchen der Welt" überrumpelt. Mit heiser verweinter Stimme sagt er: "Das hätte es jetzt gar nicht mehr gebraucht, aber ich freue mich trotzdem." In das Gelächter ruft er dann seiner Frau Rosalie Thomass ein "für mich bist du das schönste Mädchen der Welt" zu, was dieses gleich auch noch in Tränen ausbrechen lässt. Brechen hier gleich alle Dämme, ohne dass Emmerich auch nur einen Finger rühren muss? Alexander Scheer als Bester Darsteller rockt seinen Auftritt wie ein abgezockter Comedian im Kinski-Wahn.

Als nächste ist die Beste Darstellerin Marie Bäumer zu Tränen gerührt. Den Veranstaltern gelingt es an diesem Abend mehrfach, die Preisträger zu berühren, indem sie wichtige Begleiter aus deren Leben überraschend auf der Bühne präsentieren. Nachwuchsregiepreisträgerin Kerstin Polte hat auch feuchte Augen und sagt ganz cool über die Stimmung im Saal, sie sei "ja schon warmgeheult". Nur einmal ist kurz schlechte Stimmung, ist der Gastgeber verstimmt. Als "Wackersdorf" ausgezeichnet wird, kommt der damalige Protest-Landrat Hans Schuierer auf die Bühne und erklärt, dass das ein Lehrbeispiel gewesen sei, was nicht passieren dürfe. Alle applaudieren, außer Söder.

Später bekommt er bei der Vergabe des Dokumentarfilmpreises von einem Kapitän, der im Mittelmeer Flüchtlinge rettet, noch eine Visitenkarte in die Hand gedrückt, aber das ist dann der letzte unangenehme Moment. Vor dem Auftritt von Emmerich sagt Jeff Goldblum im Trailer, dass dieser "vor Kreativität kocht". Söder sagt, Emmerich habe "alles gerockt", und mit Katastrophen kenne er, Söder sich auch aus. Dann ist Emmerich an der Reihe, um vor dem Saal zu sprechen, in dem schon alle stehen und applaudieren. Er erzählt von seiner Zeit in München an der Hochschule, wie er durch die zweite Technikprüfung geflogen ist, "so technisch bin ich dann auch nicht". Am Ende sagt er noch schwäbisch-weich "Danke", und geht - und nichts ist explodiert.

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Quelle:
SZ vom 26.01.2019
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