Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Krise:Putins engster Vertrauter

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Sergej Schojgu war bereits Minister in Moskau, als im Kreml noch Boris Jelzin regierte. Nun macht er Urlaub mit Wladimir Putin - und die Welt hält wegen seiner Armee den Atem an.

Von Frank Nienhuysen

Wladimir Putin trägt grüne Gummistiefel, und der russische Verteidigungsminister neben ihm auch. Sergej Schojgu und Putin stehen auf bemoostem Fels, sibirisches Flusswasser strömt an ihren Füßen vorbei, und ausnahmsweise ist es Russlands mächtiger Präsident, der sich auf einem offiziellen Kremlfoto aufmerksam etwas erklären lässt. Schojgu kann das. Die russische Taiga, die Wildnis Sibiriens, ist sein Revier. Im vorigen Herbst waren sie wieder gemeinsam dort.

Sergej Schojgu ist Russlands Verteidigungsminister, seit zehn Jahren schon. Dass die Welt nun den Atem anhält wegen der hochgerüsteten Armee und der mehr als 100 000 russischen Soldaten an der ukrainischen Grenze, hat auch sehr viel mit ihm zu tun. Die russischen Streitkräfte zeigen nun wieder einschüchternde Stärke; 71,3 Prozent der Ausrüstung sei modernisiert, sagte Schojgu kurz vor Weihnachten, bei den Atomstreitkräften sogar 89 Prozent. Aus dem russischen Außenministerium drang schon 2018 ein süffisantes Bonmot Richtung USA: Falls sie nicht mit Lawrow reden wollen, werden sie Schojgu zuhören.

Aber noch spürbarer wird sein Einfluss durch all jene gemeinsamen Urlaubsfotos aus Sibirien, die Putin als Naturburschen zeigen sollen - und Schojgu als seinen wohl engsten Vertrauten. Fische fangen, Pilze pflücken, Boot fahren, im Wald durch kniehohen Schnee waten, der eine ist dem anderen treu verbunden. Wer sonst kann das schon sagen: Sergej Schojgu ist noch länger in der russischen Führung als Putin selber.

Schojgu, 66, geboren im südsibirischen Tuwa an der mongolischen Grenze, gelernter Ingenieur, war bereits Minister in Moskau, als im Kreml noch Boris Jelzin regierte. Beim berüchtigten August-Putsch gegen Michail Gorbatschow im August 1991 hatte er die Reformer um Jelzin unterstützt, der dankte Schojgu 1994 mit dem Amt des Katastrophenschutz-Ministers.

Vielleicht hat er seine zupackende Art vom Großvater geerbt, der in der Taiga für den Eigenbedarf auf Tierjagd ging, jedenfalls prägte sich von nun an Schojgus Bild eines Mannes, der sich kümmerte, der mit aufräumte an Orten, wo Russinnen und Russen bangten, weinten, in Trauer schwiegen. In Flammen stehende Wälder, überschwemmte Städte, abgestürzte Flugzeuge, ein abgefackelter Nachtklub, mit jeder nationalen Tragödie ist Schojgu zugleich auch ein bisschen beliebter geworden. Das ist ein seltenes Phänomen in Russland, wo die Menschen so oft auf den Staat schimpfen.

Respekt erhielt er damals sogar von Oppositionspolitikern wie Boris Nemzow. Und Orden sowieso: Held der Russischen Föderation, Verdienstmedaillen, gleich mehrmals wurde Schojgu in Russland "Person des Jahres". Auf einen daheim so beliebten Minister wollte Putin nicht verzichten. 2012 machte der Kremlchef ihn zum Verteidigungsminister. Seitdem hat er die Reform der Armee vorangetrieben, und auch die der Gesellschaft. 2016 gründete Schojgu die Junarmija, eine Organisation, mit der Russland den militärpatriotischen Geist in die Jugend trägt. Putin setzt offiziell die Aufgaben, der introvertiert wirkende, effiziente Schojgu soll sie verwirklichen. Erst vor einer Woche listete er jedes neu in Dienst gestellte Schiff, jeden Hubschrauber und Raketenträger des abgelaufenen Jahres auf.

Der Verteidigungsminister hat den Präsidenten für die Krim gelobpreist, nannte den Bruch des Völkerrechts - die Annexion - einen Akt der "Friedenserhaltung" und erhielt auch dafür eine staatliche Medaille. Schojgu muss es ja gewesen sein, der damals die "grünen Männchen", russische Soldaten ohne Hoheitszeichen, auf die ukrainische Halbinsel schickte. Und nun? Dass vielleicht selbst Putin noch nicht genau weiß, ob es einen russischen Einmarsch in die Ukraine geben wird, einen großen, einen kleinen oder gar keinen, das kann schon stimmen. Falls er es aber weiß, dürfte klar sein: Sergej Schojgu weiß es auch.

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