Süddeutsche Zeitung

Russland:Geld statt Leben

Putin verspricht den Angehörigen der Gefallenen nicht Frieden, sondern Rubel.

Von Joachim Käppner

Aus Angst vor Wladimir Putin stammelnde Geheimdienstchefs, beflissen nickende Generäle an einem bizarr langen Tisch, mit eisiger Attitüde vorgetragene Verschwörungsfantasien des Präsidenten: Es mangelt nicht an Bildern aus dem Kreml, die mehr als nur einen Hauch von Stalinismus vermitteln. Der gespenstischste Auftritt aber war Putins Rede vor der Kamera über Russlands Gefallene in der Ukraine.

Der Umstand, dass es nicht läuft wie erwartet und hohe Verluste auch bei den eigenen Truppen kostet, lässt sich trotz Zensur nicht mehr verbergen; er verunsichert die Gesellschaft. Da saß nun der Mann, der wie alle Despoten für sich und seine Herrschaft beansprucht, für "das Volk" zu sprechen, und versuchte, die Familien der Gefallenen mit Rubeln abzuspeisen - umgerechnet vielleicht 100 000 Euro pro Kind, das nicht mehr heimkehrt aus dem Land der zu Feinden erklärten Brüder. Das mag viel Geld sein und ist doch bitterer Hohn für Angehörige, die einen geliebten Menschen verloren haben, geopfert von ihrem Staatschef für seine imperialen Wahnideen.

In einem System, das die Vereinigung von Soldatenmüttern in den Verdacht ausländischer Agententätigkeit gerückt hat, überrascht das nicht. Der verächtliche Umgang des russischen Staates mit den eigenen Soldaten, die wohl oft gar nicht wussten, dass ihre Führung sie in den Krieg schickt, und mit den Hinterbliebenen der Gefallenen sollte die freie Welt lehren: bei allem Zorn Putins Machtsystem und Russlands Menschen niemals gleichzusetzen.

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