Süddeutsche Zeitung

Medizin:Das System ist am Ende

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Wegen chronischer Überlastung wollen immer weniger Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus arbeiten. Die Ursache dafür ist schon lange bekannt.

Kommentar von Benedikt Peters

Das Bild vom Arzt als Halbgott in Weiß ist nicht nur abgedroschen, es ist auch falsch. Erstens, weil der Halbgott immer männlich ist, die Ärzteschaft inzwischen aber zur Hälfte aus Frauen besteht. Zweitens sind die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte alles andere als göttlich. Gerade in den Krankenhäusern sind sie geprägt von irdischer Mühsal, von Druck, Stress und Überlastung. Das gilt freilich auch für die übrigen Beschäftigten dort, allen voran für die Pflegekräfte.

Insofern ist es kein Wunder, dass der Mangel bei Letzteren nun auch auf die Ärzteschaft überzuspringen droht. Ein Viertel der Krankenhausmediziner denkt ans Aufhören. Ein Drittel arbeitet nur noch in Teilzeit, weil sie Arbeitszeiten von 50, 60 Stunden pro Woche nicht mehr aushalten wollen. So hat es die Gewerkschaft Marburger Bund in einer Umfrage herausgefunden. Hinzu kommt, dass etliche Ärzte der Babyboomer-Generation angehören und in den nächsten Jahren in Rente gehen werden.

Die Zeiten des Abrackerns sind auch in der Ärzteschaft vorbei

Gegen den drohenden Mangel hilft nur eins: Auch die Krankenhäuser müssen endlich vernünftige Arbeitsbedingungen schaffen. Die Zeiten, in denen sich ein Alleinverdiener abrackerte und das nicht hinterfragte, sind auch in der Ärzteschaft vorbei. Die jungen Kolleginnen und Kollegen wollen Lebensmodelle, in denen sich Arbeit und Familie, Arbeit und Partnerschaft, Arbeit und Hobbys miteinander vereinbaren lassen. Für ein wenig mehr Zeit verzichten viele auf Geld - und mit ihren Medizinergehältern können sie sich das auch gut leisten.

Gebraucht werden deshalb: mehr Studienplätze, mehr Personal und weniger Druck im System. Apropos System: Der Kernfehler der Krankenhausfinanzierung ist, dass die Ärzte möglichst viele Fälle behandeln müssen, damit die Kliniken wirtschaftlich überleben. Auch Arbeitgeber haben das erkannt. Die Fluchtgedanken der Ärzte nun zeigen: Dieses System funktioniert nicht mehr.

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