Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Machtwort

Nun verlangt der hessische Ministerpräsident es. Aber der Kanzler wird es tunlichst nicht aussprechen.

Von Henrike Roßbach

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat von Bundeskanzler Olaf Scholz im Streit um Bezahlkarten für Asylbewerber ein "Machtwort" Richtung Grüne verlangt. Damit ist er wahrlich nicht der Erste, im Gegenteil: In Berlin kommt es ständig vor, dass Machtworte verlangt werden, kürzlich zum Beispiel von den Grünen, die ein solches in Sachen EU-Lieferkettengesetz einforderten, um die FDP auf Linie zu bringen. Adressat solcher Begehren ist in aller Regel der Kanzler, weil bei ihm, so zumindest die Theorie, ein Machtwort am meisten Wumms entwickeln kann.

Ein wirklich ausgewachsenes, damals sogar schriftliches Machtwort hat Scholz allerdings erst einmal gesprochen: im Atomstreit zwischen Grünen und FDP. Seine "Richtlinienkompetenz" machte er damals geltend, was er aber natürlich nicht beliebig oft wiederholen kann, jedenfalls nicht so oft, wie es von ihm verlangt wird. Andernfalls kann es für ihn in einer Koalition mit gleich zwei pflegeintensiven Partnern auch schnell wieder zu Ende sein mit der Macht. Ein Machtwort wirkt also am besten, wenn es ausgesprochen werden könnte, aber noch nicht ausgesprochen wurde. Ein SPD-Vorgänger von Scholz kannte sich damit übrigens auch aus. Bei Gerhard Schröder hieß es: Basta!

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