Süddeutsche Zeitung

Profil:Milliardär mit Höllenjob

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Der neue Premier Libanons, Nadschib Mikati, ist ein erfolgreicher Unternehmer. Nun muss er seine Heimat aus der Wirtschaftskrise führen. Er ist international anerkannt, doch es gibt auch eine mögliche Schattenseite.

Von Paul-Anton Krüger

Nimmt man den unternehmerischen Erfolg von Nadschib Mikati zum Maßstab, könnte es wohl keinen Besseren für den Höllenjob geben, Libanon aus der tiefsten Wirtschaftskrise seit dem Bürgerkrieg zu führen. Der 65-Jährige gilt als reichster Mann des Landes mit einem geschätzten Vermögen von 2,7 Milliarden Dollar. Die von ihm 2007 gegründete Investmentgesellschaft M1 Group hält Anteile an Telekommunikationsfirmen, unter anderem in Myanmar, und an einer bekannten Jeans-Marke. Er besitzt Immobilien in New York, London, Dubai und Beirut.

Aufgebaut hat er sein Vermögen in einer anderen äußerst schwierigen Zeit, der des Bürgerkrieges in Libanon von 1975 bis 1990. 1980 hatte er an der American University in Beirut einen Master of Business Administration erworben und danach noch Sommerkurse an der US-Eliteuniversität Harvard und dem renommierten Institut Européen d'Administration des Affaires im französischen Fontainebleau belegt. 1982 gründete er zusammen mit seinem Bruder das Telekommunikationsunternehmen Investcom, das er 2006 für 5,5 Milliarden Dollar wieder verkaufte.

Der Neue weinte vor den Kameras

Allerdings sind es wohl andere Faktoren, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der einer alteingesessenen Händlerfamilie aus der Hafenstadt Tripoli im Norden des Landes entstammende Mikati zum dritten Mal an die Spitze einer Regierung tritt: Er ist sunnitischer Muslim, was nach der Verfassung des multikonfessionellen Landes Voraussetzung ist. Der Präsidentenposten ist einem Christen vorbehalten, Parlamentssprecher kann nur ein schiitischer Muslim werden.

Mikati ist überdies Teil der politischen Elite, gehörte bereits von 1998 bis 2004 drei Kabinetten an, war Parlamentsabgeordneter. Zugleich entstammt er nicht einer der politischen Dynastien in Libanon, was ihn als Kompromisskandidaten für einige der zerstrittenen Parteien eher akzeptabel machte als Saad al-Hariri. Dieser hatte im Streit mit Präsident Michel Aoun zuvor sein Mandat zur Regierungsbildung zurückgegeben.

Mit Tränen in den Augen sprach Mikati jüngst vor den Kameras über die katastrophale Lage im Land und das Leiden der Menschen. Nicht jeder in Libanon nimmt ihm die Betroffenheit ab, denn die Superreichen führen dort ein luxuriöses Leben, auch wenn der Rest des Landes kaum noch Strom, Wasser, Benzin oder Nahrung hat. Mikati beklagte die Abwanderung vor allem junger Menschen und versicherte, er könne den Schmerz jeder Mutter nachvollziehen - auch seine drei Kinder lebten im Ausland.

Emmanuel Macron gilt als einer seiner Unterstützer

International ist Mikati akzeptiert, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron soll beteiligt gewesen sein an Vermittlungsbemühungen, die ihn ins Amt brachten. Mikati hat angekündigt, mit dem Internationalen Währungsfonds über ein Rettungspaket zu verhandeln. Dies ist in Libanon umstritten, weil Einschnitte bei Subventionen und anderen staatlichen Leistungen die Folge sein dürften. Allerdings hat der Staat längst kein Geld mehr, diese Zahlungen noch zu leisten. Auch will der neue Premier in den sunnitischen Golfstaaten um Hilfe werben. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hatten ihre Unterstützung heruntergefahren, weil aus ihrer Sicht die von Iran kontrollierte Schiiten-Miliz Hisbollah zu viel Einfluss hat in Libanon.

Ob Mikati allerdings die vom Westen geforderten grundlegenden Reformen gegen die Interessen der politischen Klasse und der Reichen durchsetzt, ist zumindest fraglich. Auch gegen ihn sind immer wieder Korruptionsvorwürfe erhoben worden. 2019 leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein wegen des Verdachts der unerlaubten Bereicherung durch geförderte Wohnungsbaudarlehen. Mikati wies die Vorwürfe als politisch motiviert zurück; sie waren inmitten von Protesten gegen Korruption und die politische Klasse des Landes aufgekommen. Aufgeklärt worden sind sie bis heute nicht.

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