Süddeutsche Zeitung

Impfungen:Es gibt ein Leben danach

All jenen, die laut Wissenschaft das Virus nicht mehr verbreiten können, kann man Freiheit und Selbstbestimmung keinen Tag länger verweigern.

Von Angelika Slavik

Natürlich ist die Idee, geimpften Menschen mehr Freiheiten zuzugestehen als anderen, wahnsinnig ungerecht. Allein die Vorstellung, es könnte eine Gruppe geben, die sich über offene Restaurants und unbeschwerte Reisen freuen kann, während die nicht Geimpften im Lockdown sitzen und Quarantäneverordnungen studieren, ist entsetzlich. Und trotzdem muss man diese Ungerechtigkeit unbedingt herbeiführen.

Denn auch wenn bei der Diskussion, die nach einem Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn nun geführt wird, stets von "Privilegien" für Geimpfte die Rede ist, darf man nicht vergessen: All diese Freiheiten sind kein Privileg. Sie sind ein Grundrecht. Diese Grundrechte einzuschränken, kann nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar sein - und ja, die Pandemie rechtfertigt diese Ausnahme. Davon zeugen die übervollen Intensivstationen, davon zeugen mehr als 77 000 Tote allein in Deutschland.

All jenen, die laut Wissenschaft das Virus nicht mehr verbreiten können, kann man aber Freiheit und Selbstbestimmung keinen Tag länger verweigern. Das ist schmerzhaft für die, die noch keine Chance auf eine Impfung hatten. Aber im Unterschied zu den vielen anderen Ungerechtigkeiten, die die Pandemie verschuldet hat, kann von dieser wenigstens ein positives Signal ausgehen. Es lautet: Es gibt ein Leben danach.

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