Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Havanna-Syndrom

Dutzende US-Diplomaten klagten seit 2016 über diffuse Beschwerden. Medizinisch ist das Phänomen bislang rätselhaft. Recherchen scheinen nun wieder auf den russischen Geheimdienst hinzudeuten.

Von Jakob Wetzel

Waren es doch die Russen? Hunderte Mitarbeiter von US-Botschaften klagten von 2016 an über plötzlich einsetzende, unspezifische Beschwerden. Sie berichteten von einem metallischen Klang, gefolgt von Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit. Die ersten Schilderungen stammten von Amerikanern auf Kuba, daher der Name "Havanna-Syndrom". Weil auch anderswo Fälle auftraten, spricht die US-Regierung mittlerweile allgemein von "Anomalous Health Incidents" (AHI). Dieser Name ist symptomatisch, denn viel schwammiger lässt sich ein Leiden nicht beschreiben. Auch die Ursachen sind unklar. Steckt Stress dahinter? Eine Massenpsychose? Oder ein Angriff mit einer neuartigen Mikrowellen-Waffe? Diesen Verdacht haben US-Offizielle früh wieder verworfen; Recherchen unter anderem des Spiegel geben ihm aber jetzt neues Futter: Reisedaten mutmaßlicher russischer Agenten passen demnach zum Auftreten neuer Fälle von AHI, ob Zufall oder nicht. Fazit: Geheimdienste könnten etwas damit zu tun haben. Ähnlich diffus bleibt das Leiden selbst. Forscher hatten bei Betroffenen vor Jahren Gehirnverletzungen wie nach einer Gehirnerschütterung registriert. Jüngere Studien fanden dagegen keine langfristigen Schäden. Klar ist einstweilen nur: Die Betroffenen leiden.

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