Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Die Arbeit beginnt erst

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Mit dem Überfall auf die Ukraine hat Putin den Aufschwung der deutschen Wirtschaft jäh gestoppt. Wie gut das Land mit einer Rezession klarkommt, hängt jetzt von der Bundesregierung ab.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Wenn das Statistische Bundesamt Daten veröffentlicht, dann handelt es sich dabei qua Definition um eine Betrachtung der Vergangenheit. Beim jetzt vorgelegten Konjunkturbericht ist das anders, denn er besagt nicht nur, dass die deutsche Wirtschaft von April bis Juni im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent gewachsen ist. Das zwar kleine, aber überraschende Plus demonstriert vielmehr auch, was möglich gewesen wäre, hätte Wladimir Putin seinen widerwärtigen Überfall auf die Ukraine unterlassen: ein kräftiger Aufschwung, getragen von den hohen Konsumausgaben lebenshungriger Menschen und den Investitionen optimistisch gestimmter Manager.

Stattdessen droht nun eine Rezession, die hierzulande sogar noch heftiger ausfallen könnte als anderswo. Grund ist die extreme Exportabhängigkeit von Teilen der deutschen Wirtschaft, die sich bei einem globalen Aufschwung als Segen, im Abschwung aber leicht als Fluch erweist. Hinzu kommen die Fehler der Europäischen Zentralbank, die dem massiven Anstieg der Inflation in der Euro-Zone zu lange tatenlos zugesehen hat und die Leitzinsen nun umso stärker wird anheben müssen.

Für die Ampelkoalition ist das eine bedrohliche Situation: Sie muss eine krisenmüde Bevölkerung auf einen Winter vorbereiten, der noch größere Beschwernisse und Einschränkungen mit sich bringen könnte als die Pandemie - wohl wissend, dass kein Staat der Welt den Bürgern alle Bürden abnehmen kann. Nötig ist eine Gesamtstrategie, die sicherstellt, dass jeder seinen Teil der Last trägt, niemand vergessen und keine Gruppe gegen die andere ausgespielt wird. Das gilt für Vermögende und Krisengewinner ebenso wie für Rentner, Studenten, Hilfeempfänger und steuerzahlende Arbeitnehmer, die bald vielleicht mit dickem Pulli ins Büro oder in die Fabrik müssen. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten bereits viel getan, um den Bürgern unter die Arme zu greifen. Die richtige Arbeit aber beginnt jetzt erst.

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