Süddeutsche Zeitung

Umgang mit China:Lautes Pfeifen

Die US-Regierung hat die Hoffnung aufgegeben, mit Peking kooperieren zu können. Europa sollte die Analyse lesen und übersetzen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Strategische Konzepte müssen in der Regel fein durchpflügt werden, ehe man erkennt, was genau ein Land, ein Bündnis oder eine Institution zu tun und zu lassen gedenken. So verhält es sich auch mit der China-Strategie der USA, die ja so etwas wie ein Arbeitsplan sein soll für die Großmächte-Konstellation des 21. Jahrhunderts: sehr viel Analyse, sehr wenig Anleitung - mehr Rahmen als Füllung.

Dennoch sind es zwei Botschaften, die der Biden-Regierung wichtig sind: Kooperation mit China ist nicht mehr zu erwarten, also muss das Land mit seinem Machtanspruch eingehegt werden. Und zweitens darf es dennoch keine aggressive Entflechtung oder gar eine offene Konfrontation geben, etwa um Taiwan. Peking liest's und freut sich: Wuchtig hebt Biden den Zeigefinger, aber eigentlich ist seine Regierung ratlos, wie sie der stillen Aggression Herr werden will. Es wird laut gepfiffen im Wald, aber mehr aus Furcht als aus Selbstbewusstsein.

Wer vor sechs, sieben Jahren nicht ernsthaft auf Russland geschaut hat und heute die eigene Kurzsichtigkeit beklagt, sollte die China-Analysen aus Washington ernst nehmen und nach einer europäischen Übersetzung suchen. Die wird, bedauerlicherweise, sehr unerfreulich ausfallen. Die von Washington beklagte Abhängigkeit, die langsame Verwicklung in ein chinesisches Ordnungssystem, die Preisgabe von Freiheit und Autonomie: Sie betrifft nicht zuletzt die deutschen Investoren. Was heute Öl und Gas sind, werden morgen Autos und Mikrochips sein.

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