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Regierungsbildung:Der Mann, der Bulgarien wieder auf Kurs bringen soll

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Der designierte Ministerpräsident Kiril Petkow ist erst seit Kurzem in der Politik, doch hat er klare Prioritäten: Korruption abschaffen, Investitionen fördern, Armut bekämpfen.

Von Tobias Zick

Die Worte, mit denen Kiril Petkow den Auftrag zur Regierungsbildung entgegennahm, klangen ein bisschen so, als mache sich jetzt jemand daran, ein neues Land aufzubauen. "Nach 32 Jahren ist es nun Zeit, dass das bulgarische Volk Leute an der Macht erlebt, die sich wirklich um sie kümmern", sagte der 41-jährige designierte Ministerpräsident. Junge Bulgarinnen und Bulgaren, die im Ausland lebten, müssten künftig "Bulgarien als einen vielversprechenden Ort sehen, an den es sich zurückzukehren lohnt". Und die Generationen der Großeltern und Eltern sollten Bulgarien als Land erleben, "in dem sie eine angemessene Rente beziehen und ihr hohes Alter in Würde verbringen".

Der Mann, der den südöstlichen EU-Staat derart umkrempeln will, gibt sich als smarter, kämpferischer Seiteneinsteiger in einen von blickdickt gewobenen Günstlingsnetzwerken durchsetzten Staatsapparat. In diese Position gehoben hat ihn Staatspräsident Rumen Radew, seinerseits selbsterklärter Korruptionsbekämpfer, der sich im vergangenen Jahr öffentlich auf die Seite der Protestbewegung stellte, die gegen die Regierung des Langzeit-Premiers Boiko Borissow mobilisierte.

Die neue Partei knüpft an die Protestbewegung an

Bei der Parlamentswahl im April verlor Borissows dem Namen nach christdemokratische Partei massiv an Stimmen, es gelang aber auch seinen diversen Gegnern nicht, ein Regierungsbündnis zu bilden. Staatspräsident Radew setzte deswegen eine Expertenregierung ein und machte den Harvard-Absolventen Kiril Petkow zum Wirtschaftsminister.

Nachdem im Juli wieder gewählt wurde - und auf dem Weg wieder keine Regierung zustande kam -, ging Petkow nicht erneut ins Expertenkabinett, sondern machte sich mit einem Weggefährten, dem bisherigen kommissarischen Finanzminister Assen Wassilew, gewissermaßen politisch selbständig: Die beiden gründeten eine Partei, die ihre Segel im Wind der Protestbewegung hisste und das auch im Namen zweifellos klarstellte: "Wir setzen den Wandel fort". So also heißt die Partei, die bei der dritten Parlamentswahl des Jahres im November mit knapp 26 Prozent die meisten Stimmen holte und es allen Befürchtungen zum Trotz nun geschafft hat, sich mit drei weiteren Parteien auf eine Koalition zu einigen.

Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in den Staat

Programmatisch gibt sich Petkow, an dessen Seite Wassilew als Vizepremier und Finanzminister mitregieren soll, eher wenig spezifisch; er will sich weder als links noch als rechts positionieren, solche Kategorien gelten ihm als gestrig; seine Antrittsversprechen zielen aufs Kerngeschäft: Korruption abschaffen, Investitionen fördern, Arbeitslosigkeit und Armut bekämpfen. In seinem Machergebaren spiegelt sich seine Berufslaufbahn deutlich wider; vor seinem Betriebswirtschaftsmaster in Harvard hatte er in Kanada erst Biologie und Chemie, dann Finanzwissenschaft studiert. Zurück in Bulgarien, gründete er mehrere Firmen, unterstützte andere Existenzgründer und hielt Vorlesungen an der Universität Sofia.

Das Symbol des schwachen Rechtsstaats ist der Generalstaatsanwalt

Eine Kernaufgabe für Petkow und seine Mitregierenden wird es sein, Vertrauen in Staat und seine Institutionen aufzubauen. Das ist bisher so niedrig wie kaum anderswo in Europa, was wiederum den Kampf gegen die Corona-Pandemie massiv erschwert. Die Impfquote in Bulgarien ist die niedrigste in der ganzen EU.

Eine dringende Personalie hat Kiril Petkow schon selbst öffentlich benannt: Er will erreichen, dass der Generalstaatsanwalt des Landes, Iwan Geschew, entlassen wird. Der gilt als zentrale Figur des schwachen, korrupten bulgarischen Rechtsstaats - vergangenes Jahr hatte er etwa eine Razzia beim regierungskritischen Staatspräsidenten veranlasst, woraufhin die Protestierenden auf den Straßen von Sofia Geschews Rücktritt forderten.

Präsident Radew hat dem neuen Ministerpräsidenten denn auch klare Prioritäten mit auf den Weg gegeben: der Kampf für die Rechtsstaatlichkeit werde "entscheidend für alle weiteren Schlachten" sein.

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