Süddeutsche Zeitung

"Verbotene Liebe" im Ersten:Kitsch aus Kübeln

Lesezeit: 2 min

Knutschende Models, ein junges Mädchen im fleischfarbenen Korsett und ein cooler, hipper Jungdesigner: Die ARD-Soap "Verbotene Liebe" feiert 18. Geburtstag und packt in ihre Jubiläumsfolge so viele Klischees, dass es kracht. Vom Erwachsensein ist die Serie noch weit entfernt.

Von Carolin Gasteiger und Jana Stegemann

Martha könnte in ihrem fleischfarbenen Korsett im Erdboden versinken. Der Typ, der sie auf seinen starken Armen gerade hinter die Bühne getragen hat, weil sie auf der Treppe ausgerutscht war, war also gar nicht vom Catering. Auch kein Journalist oder sonst ein Gast der Modenschau. Nein, es war ausgerechnet Juri Adam selbst, der aufstrebende Nachwuchsdesigner, der künftig bei der Modefirma LCL arbeiten wird!

So läuft es in der Aschenputtel-Welt der ARD-Vorabendserie Verbotene Liebe. Wo sonst ein cooler, hipper und gutaussehender (dabei jedoch mit vielen anderen Soapstars verwechselbarer) Jungstar eines Modelabels einfach an der jungen Näherin bei LCL vorbeirauschen und sie keines Blickes würdigen würde, kümmert er sich hier hingegen geradezu aufopferungsvoll um sie, leiht Martha auch noch sein Hemd. Anderswo wäre es peinlich genug, dass ein knallrotes und knallenges Bonbon-Tüllkleid aufplatzt - aber nein, Verbotene Liebe setzt noch eins drauf und Martha steht in Alt-Oma-Unterwäsche da, bis ihr, schwupps, auch noch der komplette rote Cocktail im Ausschnitt landet. Aber den so coolen, so hippen Juri stört das nicht, weil hey, er ist doch so cool, so hip und so wahnsinnig charmant.

Ein kurzer Blick in die Pressemitteilung:

Allerdings plant Tanjas größter Widersacher Ansgar von Lahnstein (Wolfram Grandezka) hinter ihrem Rücken eine böse Überraschung. Er hat den charismatischen Designer Juri Adam (Kristian Kiehling) engagiert, der mit junger sexy Streetwear punkten soll. Ausgerechnet auf der Fashionshow lässt Ansgar die Bombe platzen.

Zum 18. Geburtstag der Seifenoper um Glamour, Adel und die schillernde Modewelt darf es also ruhig ein Quäntchen, ach was, ein Quantum Kitsch und Realitätsferne mehr sein. Die Hässliche-Entlein-Nummer mit Martha - im Traum legt sich ihr Angebeteter neben sie ins Bett, wobei sie natürlich den Blümchen-Pyjama ihrer Ur-Ur-Urgroßmutter trägt - erinnert stark an die Telenovela Verliebt in Berlin, in der die bezahnspangte Alexandra Neldel ebenfalls kein Fettnäpfchen auslässt. Da war der Fremdschämfaktor schon hoch, aber VL weiß das noch zu toppen: Martha seufzt, eng umschlungen mit Juris Hemdsärmeln auf der Schneiderpuppe, nochmal seinen Namen: Juuuriii Adaam.

Auf der "fulminanten Fashionshow", wie es in der Ankündigung heißt, lodern Flammen, Models in Lack und Latex knutschen, und in der ersten Reihe sitzt ein so offensichtlicher Anna-Wintour-Verschnitt, das man sich in Grund und Boden schämt ob dieses inspirationslosen Kopierens. Ist Euch denn nichts Originelleres eingefallen, möchte man die Autoren fragen. Modechefin und Serienbiest Tanja von Lahnstein kommt angesichts des Coups ihres Gegenspielers nur noch ein "F* you" über die Lippen und der hippe Jungdesigner hält von Autoritäten überhaupt nichts: "Hierarchie - scheiß ich drauf!"

Auch wenn in der deutschen TV-Landschaft allein Verbotene Liebe noch voller Stolz das Kitsch-Zepter der adligen Glamourwelt hochhält, bleibt festzuhalten: Erwachsen geworden ist die TV-Serie wohl nur dem Alter nach.

Verbotene Liebe, Das Erste, 18.00 Uhr

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