Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik: Maybrit Illner:Der gerissene Gesprächsfaden

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Wenn Thomas Gottschalk mit einem Dschungelcamper und einer DSDS-Produzentin übers Fernsehen diskutiert, könnte das interessant werden. Wäre da nicht die schnippische, übervorbereitete Moderatorin Maybrit Illner.

Hans Hoff

"Die Moderatorin hebt mal kurz den Finger." Maybrit Illner sagt das in ihrem gewohnt schnippischen Ton, der immer ein bisschen so klingt, als wolle sie erst mal klarstellen, dass im Raum nur einer richtig Ahnung hat: sie selber. Dann zerreißt sie einen gerade von kompetenter Seite zart gesponnenen Gesprächsfaden, um aus der Tiefe ihrer Erinnerung einen neuen hervorzuzerren. Der aber wird auch nur Sekunden halten, denn natürlich kommt dann wieder die Moderatorin, macht schnippschnapp und zaubert das nächste Thema aus dem Hut.

Dass so kein Gespräch aufkommen kann, liegt in der Natur der Sache, aber ein Gespräch scheint auch gar nicht der Sinn dieser Talkshow zu sein. Vielmehr scheint es darum zu gehen, die von der Redaktion vorbereiteten Punkte abzuhaken, Einspieler abzuspulen und wider alle Wahrheit am Schluss zu behaupten, dies sei aber ein schönes Gespräch zu einem nicht ganz leichten Thema gewesen.

"Was ist gute Unterhaltung?" lautet das Thema des abendlichen ZDF-Gesprächskreises am Donnerstag, und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, woran deutsche Talkrunden oft kranken, dann kommt diese Ausgabe gerade recht. Man sollte sie auf DVD brennen und an Menschen, die beim Fernsehen etwas werden wollen, verteilen. Man muss nur die ganze Stunde mit einem Schildchen versehen, auf dem steht "So nicht".

Was hätte aus dieser Runde werden können? Wann hat man schon mal Thomas Gottschalk, den jüngst aus dem Dschungel entlassenen Schauspieler Mathieu Carrière, die für Deutschland sucht den Superstar zuständige Fernsehproduzentin Ute Biernat und den Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in einer Runde sitzen, also Menschen, die aus unterschiedlichen Perspektiven aufs Fernsehen blicken, die daher auch unterschiedliche Erfahrungen beizusteuern vermögen. Mit jedem der vier könnte man problemlos eine ganze Sendung zum Thema füllen. Man müsste es nur wollen.

Einen guten Willen lässt Illner indes nicht erkennen. Sie scheint eher irritiert, dass ein Profi wie Gottschalk schneller bei so manchem Thema landet als sie. "Du musst hier nicht moderieren", pflaumt sie ihn einmal an, um danach einen komplett überflüssigen Einspielfilm anzukündigen, der noch mal in Bildern zeigt, was längst gesagt wurde. Es soll nicht der einzige überflüssige Film zur falschen Zeit bleiben.

Zweimal macht Giovanni di Lorenzo einen zarten Versuch, das Gespräch auf die überaus berechtigte Frage zu lenken, warum das öffentlich-rechtliche Fernsehen so wenig wagt, so wenig Langmut beweist. Illner lenkt jedes Mal ab. Das steht ganz offensichtlich nicht auf ihrer Vorbereitungsliste. Stattdessen fragt sie eine im Publikum platzierte Kandidatin aus Heidi Klums Topmodel-Suche, was sie sich denn so im Fernsehen anschaut.

Puh, das war knapp: Beinahe hätte sich di Lorenzos kluger Gedanke durchgesetzt, und dann hätte vielleicht Gottschalk etwas zur Frage nach dem Langmut im Öffentlich-Rechtlichen gesagt, Carrière seine Meinung kundgetan und Biernat auch etwas aus ihrem Erfahrungsschatz beigesteuert.

Womöglich wäre sogar ein Gespräch entstanden, eine Diskussion, eine kleine Debatte. Doch die ZDF-Moderatorin will Häkchen setzen hinter ihre Aufgabenbeschreibungen, liebt aufgewärmte Fremdkost ("In einem Interview haben Sie gesagt ...") und wirkt dabei wie eine übervorbereitete Debütantin, die Angst davor hat, etwas laufen zu lassen.

So kommt es denn, dass allenfalls Fetzen aus dieser Stunde im Gedächtnis bleiben. Gottschalk sagt, dass er im Gegensatz zu Peter Alexander seine Nachrufe noch habe lesen können, und dann macht er allen Hoffnung, die in jedem Nachfolger bei Wetten, dass..? nur eine Art Urlaubsvertretung sehen wollen. "Wenn's nicht geht, ich bin ja nicht aus der Welt", sagt er.

Am Schluss landet die Runde dann bei der Frage, ob eine Disko im Bordell oder im Altersheim attraktiver wäre, und für einen kurzen Moment keimt die Hoffnung, dass das alles nur eine große Inszenierung irgendeiner lustigen Comedytruppe war, die gleich aus den Kulissen springt und laut "Ätsch" ruft. Tut sie aber nicht. Alles das ist echt. Und Maybrit Illner kommt nächsten Donnerstag wieder.

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