Süddeutsche Zeitung

Abschied von den "Tagesthemen":In Hamburg sagt man Tschüss

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Caren Miosga hat zum letzten Mal die "Tagesthemen" moderiert. Sie amtierte länger als Angela Merkel. Nun tut sie etwas, was sie vor 16 Jahren schon einmal getan hat.

Von Oliver Klasen

Mal kurz nachgerechnet mit der Liste der Moderatoren und Moderatorinnen der "Tagesthemen". Seit 1978 gibt es die Sendung, die Liste ist ein kleines Who-is-who der deutschen Fernsehgeschichte. Hanns Joachim Friedrichs, Sabine Christiansen, Ulrich Wickert - alles ewig her. Aber an diesem Donnerstag geht eine Ära zu Ende. Caren Miosga, 54, ist tatsächlich diejenige, die am längsten vor der blauen Wand gestanden hat.

16 Jahre, 2 Monate und 19 Tage hat sie amtiert, länger als Angela Merkel - und der Vergleich ist passend, denn die Fernsehzuschauer hatten sich über die Jahre an Miosga mindestens genauso gewöhnt wie an die Kanzlerin.

Jetzt ist es also vorbei. Caren Miosga hat zum letzten Mal die "Tagesthemen" moderiert. Schon vor der Sendung, als am Ende des Politmagazins "Panorama" kurz zu ihr geschaltet wurde, sagt Miosga, dass sich das Ganze "mulmig" anfühle. Die Moderation meistert sie dann souverän wie immer. Es geht um die Ukraine, den Kosovo-Konflikt, den mutmaßlichen Angriff auf den AfD-Politiker Tino Chrupalla, business as usual. Miosgas Mulmigkeitsgefühl dürfte dann langsam etwas größer geworden sein, als Börsenmoderator Markus Gürne aus Frankfurt sie persönlich anspricht und sagt, er werde sie sehr vermissen. Am Ende überreicht ihr Chefsprecher Jens Riewa einen Snoopy, der auch tanzen können soll, Ingo Zamperoni hält eine improvisierte Laudatio, im ARD-Studio in Hamburg-Lokstedt kommt das ganze Team ins Bild und applaudiert, und Wettermoderatorin Claudia Kleinert fragt nach ihren Abschiedsworten, ob sich denn jetzt überhaupt noch jemand für das Wetter interessiere.

Als Miosga 2007 bei den "Tagesthemen" anfing, wurde in der interessierten Öffentlichkeit vor allem über das Eigenleben ihrer Augenbrauen spekuliert, weil das Spiel mit der Augenbraue eine Besonderheit ihrer Vorgängerin Anne Will war. Miosga hat dann diese Tradition nicht weitergeführt, sie hat auch keinen typischen Schlusssatz gepflegt, so wie das anscheinend ein ungeschriebenes Gebot für männliche "Tagesthemen"-Moderatoren ist.

In Erinnerung bleiben andere Szenen. 2014 zum Beispiel, da stand Miosga nicht hinter, sondern auf dem Tisch. War eine Hommage an den gestorbenen Hollywood-Schauspieler Robin Williams. Viele kennen die Schlussszene aus dem Film "Club der toten Dichter", in dem die Schüler ihrem von Williams gespielten Lehrer die Ehre erweisen, auf ihre Tische steigen und "Oh Captain, mein Captain!" rufen. Miosga sagt dazu: "Das war eine ernst gemeinte Geste, da auch wir Fernsehmenschen gut daran tun, manchmal die Perspektive zu wechseln."

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz sagte hartnäckig "Frau Slomka" zu ihr

Am Ende von Miosgas letzter Sendung gibt es von der Redaktion noch mal einen Zusammenschnitt der denkwürdigsten Sendungen. Als Miosga aus Kiew moderierte, als sie Ernie und Bert im Studio zu Gast hatte. Unvergessen aber auch, als Wolfgang Ischinger, der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Miosga immer wieder "Frau Slomka" nannte, weil er sich in einem Interview mit dem ZDF-"Heute-Journal" wähnte.

Miosga wird nun etwas tun, was sie auch vor 16 Jahren schon getan hat. Sie beerbt Anne Will. Vom kommenden Jahr an übernimmt sie deren Talk-Platz am Sonntagabend. Dass dort Ernie und Bert zu Besuch kommen oder sich eine Gelegenheit bietet, auf den Tisch zu steigen, ist eher unwahrscheinlich. Aber Miosga wird sich etwas anderes einfallen lassen.

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