Süddeutsche Zeitung

Stuttgarter Tatort "Spiel auf Zeit":Guter Bulle, zweifelnder Bulle

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Der spannende Stuttgarter "Tatort" über einen ausgebrochenen Sträfling lebt von seinen Gegensätzen: Charismatisches Arschloch gegen die guten Jungs, Richy Müller als Kämpfer und Zweifler. Mit Komissar-Tschiller-hafter Ballerei geht allerdings alles in die Brüche.

Von Holger Gertz

Schön gezeichnet ist zum Beispiel diese Trennungsszene. Es trennen sich, in einem Café, Kommissar Bootz und seine Frau, genauer gesagt trennt sie sich von ihm. Aber noch bevor sie die letzten Worte spricht, ist Sebastian Bootz (Felix Klare) ein anderer geworden, Lederjacke und ungewaschenes Schmierhaar. Vorauseilend verlottert, sozusagen. "Ich habe jemanden kennengelernt", sagt die Frau - ein Moment, umgeben vom Ernst des nahen Abschieds. Natürlich trabt da die Bedienung des Cafés heran, eine Kellnerin, die die Bedeutung des Moments nicht erkennt, sondern alles zuquatscht: "Leider müssen Sie was bestellen, man kann hier nicht nur so sitzen." 6,80 Euro sind zu bezahlen, die Frage der Kellnerin fühlt sich am Ende an wie ein Sichelhieb. "Zusammen oder getrennt?" Bootz sagt: "Zusammen." Aber da ist seine Frau schon lange gegangen.

Dieser Stuttgarter Tatort ist spannend, vor allem dann, wenn man den Begriff auf sein Inneres zurückführt. Die Geschichte von Regisseur Roland Suso Richter und Autor Holger Karsten Schmidt lebt durch die Gegensätze, die miteinander in Berührung gebracht werden. Spannung zwischen dem Waffenhändler, einem faszinierend charismatischen Arschloch, und den Kommissaren Lannert und Bootz, gute Jungs. Spannung zwischen Vertrauen und Enttäuschung. Spannung zwischen stillen und lauten Momenten. Der verlassene Bootz trifft den Neuen seiner Frau, vielleicht rechnet er damit, einem Modeltypen zu begegnen. Männer neigen dazu, sich Nebenbuhler als Supermachos vorzustellen, womöglich in der verzweifelten Hoffnung, der Schmerz werde kleiner, wenn der Gegner unbesiegbar aussieht. Der Neue von Frau Bootz ist aber kein Supermacho. Das macht es nicht leichter, für Sebastian Bootz.

Der Fall? Ein Gefangener ist befreit worden, der ein neues großes Ding drehen wird, wenn den Kommissaren nicht bald etwas einfällt, da tickt also die ganze Zeit ein Countdown runter. Bootz' privates Drama lässt ihn verwegen werden, er sieht nicht nur wie ein Desperado aus. Die Regie löst bei der Gelegenheit schön beiläufig auf, welches Unglück aus dem Kollegen Lannert (Richy Müller) einen leisen Zweifler gemacht hat, einen einsamen Kämpfer. Seine Skepsis, seine Verschlossenheit haben einen Grund.

Leider ist das Finale dann komplett übersteuert. Alles entlädt sich in Kommissar-Tschiller-hafter Ballerei, unangemessen flach am Ende einer Episode, die den Zuschauer lange angesprochen hat, so laut wie möglich und zugleich so leise wie nötig.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 25.05.2013
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