Süddeutsche Zeitung

"Polizeiruf 110" aus Magdeburg:Kommissare in Gruppentherapie

Lesezeit: 1 min

Beruflich klappern die Magdeburger Ermittler Brasch und Köhler brav diverse Fährten ab. Hier wie im Privatleben stellen sie fest: Die Menschheit ist verkorkst.

Von Katharina Riehl

Frau Brasch und Herr Köhler ermitteln inzwischen seit knapp zwei Jahren gemeinsam bei der Kriminalpolizei Magdeburg, aber so richtig nahe gekommen sind sie sich nicht. Doreen Brasch (Claudia Michelsen) fährt immer noch alleine mit dem Motorrad durch die Gegend, trifft abends in Kneipen fremde Männer und dämpft den offenkundigen Frust über ihr Leben als lonesome rider mit großen Mengen Wodka. Dirk Köhler (Matthias Matschke) dagegen, bereits der zweite Ermittler an ihrer Seite, ist ein total netter Kerl mit Frau und Kind, und er wäre sehr gern ganz dicke mit der Kollegin Brasch, der Nettigkeiten aller Art aber - man kann es wirklich nicht vornehmer ausdrücken - am Arsch vorbeigehen.

Schwierige Beziehungen zwischen schwierigen Ermittlern sind ein beliebter Topos des deutschen Fernsehkrimis, in manchen Städten haben Supervisor und Polizeipsychologe dem Pathologen den Rang um die wichtigste Nebenrolle schon lange abgelaufen. Auch im dritten Fall des Duos Brasch/Köhler wird ein Herr zu Hilfe gerufen, der im Magdeburger Team für zwischenmenschliche Nähe sorgen soll. Vorsicht, Spoiler: Durchschlagenden Erfolg hat er damit nicht.

Während all der Gruppentherapie soll natürlich auch ein Fall geklärt werden: Im Haus des Bauunternehmers Ottmann (immer toll: Thomas Loibl) wurde ein Brand gelegt, er überlebt aber und kann sich an der Aufklärung des Anschlags beteiligen. Die Ermittler klappern brav diverse Fährten im beruflichen und familiären Umfeld ab (Ottmann hat eine andere Firma übernommen und Leute entlassen, privat musste er vor einiger Zeit einen Schicksalsschlag verwinden), um am Ende dann auf ein schon wirklich höchst verworrenes Konstrukt zu stoßen, aus dem sich die Lösung des Falles herauslesen lässt. Die Botschaft hier wie im Kommissariat: Verkorkst ist die Menschheit.

"Starke Schultern" heißt die achte Polizeiruf-Episode mit Claudia Michelsen (Buch: Josef Rusnak; Regie: Maris Pfeiffer), und es gab ja eine Zeit, in der man vor allem wegen Matthias Brandt in München und Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau in Rostock den Eindruck haben konnte, dass der Polizeiruf den Tatort qualitativ überholt. Die Episoden aus Magdeburg aber konnten diese These nie so recht bestätigen. Und Matthias Brandt steigt aus dem Polizeiruf aus.

Polizeiruf 110 , Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3919097
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.