Süddeutsche Zeitung

TV-Darstellerin Oksana Kolenitchenko:Immer auf Sendung

Lesezeit: 6 min

Wer Geld hat, genießt und schweigt: Diesen deutschen Grundsatz bricht Oksana Kolenitchenko gerade genüsslich mit ihrer Reality-Doku. Ein Kennenlernen in München und Los Angeles.

Von Harald Hordych und Jürgen Schmieder

Und dann passiert es, das Ungeheuerliche in diesem Nachtclub in West Hollywood, der zwischen den legendären Straßen Sunset Boulevard und Santa Monica Boulevard liegt. Es ist kurz vor Mitternacht, auf der Bar bewegt sich eine Burlesque-Tänzerin zu den Klängen der Live-Band, der Alkohol wird in Flaschen zu den Gästen gebracht - da läuft doch tatsächlich jemand mit einer Plastiktorte durch "The Next Door Lounge", dahinter Besitzer Daniel Kolenitchenko mit einer Konfettikanone. Und seine Frau Oksana filmt alles mit dem Handy.

Es ist ungewöhnlich dass Oksana Kolenitchenko diesmal selbst die Kamera hält. Sonst ist sie es, die gefilmt wird, als eine Art Reality-Soap-Star, der in Sendungen auftritt, Sendungen, die sie Anfangs beim Singen, Einkaufen oder Umziehen zeigten, und die nun sogar Oksanas Traum vom Glück (RTL) heißen. Gratulationen sind die mäßig aufregende Zäsur einer Partynacht, weil das "Happy Birthday" nur die interessiert, die wegen des Geburtstages da sind - alle anderen langweilen sich. Nur: Es feiern sehr viele Leute Geburtstag an diesem Abend, jeder bekommt ein Ständchen, eine eigene Torte, eine eigene Show, und plötzlichen werden die vielen kleinen Partys zu einer riesigen Feier wie schon eine Woche davor, als die Geburtstagsparty der Sängerin Bella Thorne mit Gästen wie Paris Hilton auch nur Teil der großen Fete waren.

Das Ungeheuerliche daran: Es geht in dieser Stadt immer ein bisschen mehr ums Gesehenwerden als ums Sehen, und das bedeutet, dass es sich nicht ziemt, mal so richtig die Sau rauszulassen. Coolness ist alles. Dieses Ehepaar aus Deutschland will das nun ändern, und es stellt sich die Frage: Sind die verrückt?

Und, wenn man schon mal dabei ist: Warum lassen sich die beiden dabei filmen? Sie haben es nicht nötig, in einen Container, eine Liebesvilla zu ziehen oder im Dschungel auf Plattitüden über das Lebensglück herumzukauen, während ihnen ein Teller mit Kakerlaken serviert wird. Sie sind auch nicht auf das Honorar angewiesen, nein: Sie tun das, obwohl sie mit ihren Kindern Milan und Arielle ein finanziell offensichtlich ordentlich ausgestattetes Leben führen. Was treibt einen dazu, sich dauernder Kamerabeobachtung auszusetzen - vor allem wenn man doch eher reich als arm ist?

Gerade noch Konfettikanone in den USA, jetzt sitzt die platinblonde, stets munter drauflosredende 32 Jahre alte Berlinerin in einem Café am Rande Münchens. Das Café ist plüschig, es wirkt in dieser charakterlosen Vorstadt derart künstlich, als wäre es nur für dieses Gespräch als Kulisse hingezimmert worden. Hier sagt Oksana Kolenitchenko gleich ohne falsche Traurigkeit und mit noch weniger falschem Bedauern: "Die beste Sängerin auf der Welt werde ich in diesem Leben nicht mehr. Mich filmen lassen, ist einfach das, was ich am besten kann. Und was mich glücklich macht und Spaß bringt."

Einfach vor der Kamera existieren: so könnte man diesen Arbeitsauftrag am besten umschreiben. "Ich liebe es, gefilmt zu werden", sagt Oksana Kolenitchenko. Sie mag es, schlichtweg immer auf Sendung zu sein, als Schauspielerin ihres eigenen Lebens. Fast immer. Allzu intime Momente bleiben ausgespart.

Mit ihren Reality-Dokus machen Oksana und Daniel Kolenitchenko so ziemlich das Gleiche wie die Carmen und Robert Geiss mit ihren Töchtern Davina Shakira und Shania Tyra, die mit ihrem Wohlstandsleben seit acht Jahren auf RTL 2 zu sehen sind als Die Geissens - eine schrecklich glamouröse Familie.

Sie und ihr Mann sind mit einem Berliner Nachtclub zu Geld gekommen

Die Familie aus Köln lässt sich beim Jetset mit stets zu viel Glitzer und Bling-Bling zwischen Monaco, Saint-Tropez, Kitzbühel und Valberg begleiten. Und immer wieder auch bei ziemlich miserablen Umgangsformen. Robert Geiss, von seiner Frau "Rooobärt" genannt, hat Mitte der Achtziger mit seinem Bruder das Sportklamottenlabel "Uncle Sam" gegründet und soll die Firma Mitte der Neunziger für geschätzte 140 Millionen Mark verkauft haben.

Die Kolenitchenkos sind etwas leiser unterwegs, jünger sowieso, und bei Weitem nicht so rheinisch-trashig. Sie und ihr Mann haben in Berlin den Club "The Pearl" geführt, die Presse schreibt von Millionen Euro Gewinn. Oksana Kolenitchenko erzählt: "In der Berliner Highclass-Szene waren wir auf jeden Fall die Nummer eins. Wir hatten die höchsten Abverkaufszahlen von Champagner in Deutschland." Und dann haben sich die beiden gesagt: "Jetzt räumen wir hier mal ein bisschen die Stadt auf." Nicht Essen oder Leipzig, sondern Los Angeles.

Für die Zuschauer halten die Aufsteigerfamilien Geiss und Kolenitchenko den Zauber des Umstiegs von normal auf super bereit, aber gewiss auch die Befriedigung darüber, dass man trotz all des finanziellen Glücks nicht frei von Fehlern und Punktlandungen in Fettnäpfchen sein muss. Der Reiz liegt sicher aber auch darin, dass über das Leben im Reichtum in Deutschland wenig bekannt ist. Über Geld spricht man hier nicht und wer es hier zu Wohlstand gebracht hat, genießt und schweigt.

Das ist dann der Oksana-Moment, wie man ihn nennen könnte. Der Moment, in dem Kolenitchenko die Welt, speziell die deutsche überhaupt nicht versteht. "In Deutschland tun sich alle so schwer damit, weil die Leute so ängstlich und verklemmt sind. In Amerika ist das vollkommen normal, da hat keiner ein Problem damit."

In Los Angeles ist laut Oksana Kolenitchenko nichts so normal, wie ein Leben in der Frontalöffentlichkeit. Auch Künstler wie der Rapper Snoop Dogg haben dort ihre eigene Reality-Show. In der Folge For Schnitzle seiner Sendung Father Hood hat er mal so getan hat, als könne man in ganz München keine Chicken Wings auftreiben. Das ist ja sowieso immer die Frage: Wie viel ist echt an Formaten, die angeblich das echte Leben zeigen?

Na dann, Reality Check in Los Angeles. "The Next Door Lounge", das neue Restaurant der Kolenitchenkos, wirkt wie ein Speakeasy aus den Zwanzigerjahren, außer dem goldenen Schlüssel am schwarzen Gebäude deutet erst einmal nichts darauf hin, dass drinnen eine Party stattfindet. Das Publikum ist zwischen 25 und 45 Jahre alt - jung genug, um eine rauschende Party zu feiern, indes auch kultiviert genug, dass es kein Studentengelage wird. Wer die Gastgeber einen Abend lang beobachtet, der merkt, dass sie ihren Club so betrachten, als wären sie selbst Gäste: Oksana Kolenitchenko sitzt irgendwann an der Bar und löffelt Tomatensuppe, dann läuft sie mit einem Champagnerglas zu den Tischen und stößt mit Gästen an, später tanzt sie.

Oksana Kolitschenko hat begriffen, dass ihr Leben für sie am besten funktioniert, wenn sie es als eine Art Nonstop-Performance zelebriert. Sie hat sich ihre Instagram- und Facebook-kompatible Haltung nicht antrainiert: Als sie mit ihren Eltern mit zwei Jahren von Moskau nach Berlin kam, standen von Anfang zwei Punkte offenkundig weit oben auf dem Programm: Erstens Überleben. Zweitens das Überleben inszenieren.

Die Schule hat sie abgebrochen, und dann manchmal "scheiß Jobs" gemacht

Von klein auf sang die kleine Oksana auf Bühnen; mit zwölf bei der Mini-Playback-Show, mit 17 wurde sie beim "Casting-Day" im Filmpark Babelsberg zur "besten Sängerin" gekürt, ihre Band hieß "Oxana & Julia G., die Singel Heaven. Am Ende aber würde sie kein Star werden, das merkt sie irgendwann. Da hatte sie die Schule längst abgebrochen. Scheiß Jobs habe sie gemacht, erzählt sie in München, wobei sie die Leitung einer Hostess-Agentur ausdrücklich ausnimmt, immer mit einem prüfendem Auge auf dem Gesprächspartner, ob er überhaupt willens ist, sie ernst zu nehmen.

Oksana Kolenitchenko fand schließlich einen anderen Weg ins Fernsehen, zumindest wo das Fernsehen offen ist für Menschen, die was riskieren. Mit 26 war sie eine von 20, die in der Castingshow Deutschland sucht den Superstar vorsingen durften, schaffte es aber nicht nach ganz oben. Die Bunte nannte sie deshalb mal DSDS-Star, mal DSDS-Sternchen, aber immerhin. Ihr unbefangenes Auftreten, selbstbewusst, aber nicht affektiert, spontan, aber weder aufdringlich noch vulgär, verhalfen ihr schließlich zu einer Karriere als Reality-TV-Star.

Ihr Mann Daniel Kolenitchenko leitete unterdessen "The Pearl", machte offenbar Millionen, bis er etwas Neues wollte. Er war es, der das Abenteuer in Amerika suchte. Nicht seine Frau. Das erzählt Oksana Kolenitchenko ganz am Ende des Gesprächs in München, auf die Frage, wie denn ihr Mann zu der Lebensmitfilmerei stehe: "Na ja, es war schon ein bisschen mehr Daniels Traum, nach L. A. zu gehen als es mein großer Traum gewesen ist. Und weil ich gern mitgemacht habe, war er sofort bereit, bei meinen Sachen mitzuspielen. Das ist nun mal nicht ganz so sein Ding wie bei mir. Ich mache Fernsehen seit 17 Jahren. Mein Mann kennt mich nicht anders." Nach solchen Sätzen schaut sie einen ein bisschen herausfordernd an. Wo ist das Problem?

Es ist nun weit nach Mitternacht in L. A., "The Next Door Lounge" ist noch immer gut gefüllt. Oksana Kolenitchenko hat gerade die neuen Räume gezeigt, in denen sie bald eine Burlesque-Lounge einrichten will, mit einem alten Beichtstuhl, in dem jemand den Gästen die Beichte abnehmen soll. Jetzt stehen Oksana und Daniel Kolenitchenko neben dem DJ-Pult und begutachten, was so los ist. Drüben, auf der grünen Couch, vergnügen sich drei junge Frauen miteinander, und auf der anderen Seite tanzen die Gäste wild.

Das Ehepaar sieht zufrieden aus. Frank Sinatra hat mal darüber gesungen, dass es jemand, der es in New York geschafft hat, überall schaffen kann, aber: Wer es schafft, die immercoolen Leute in Los Angeles dazu zu bringen, mal so richtig die Sau rauszulassen, der hat es geschafft in dieser Stadt. Und kann es vermutlich überall schaffen.

Oksanas Traum vom Glück , zu sehen auf TVnow.

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SZ vom 02.11.2019
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