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Neue Netflix-Serie "Daredevil":Daredevil - blinder Held mit Schwächen

Lesezeit: 2 min

Der Protagonist der Netflix-Serie fasziniert durch seine gar nicht superheldenhaften Eigenschaften. Für Netflix ist die zweite Staffel auch ein Experiment.

Von Nicolas Freund

Superhelden sind vielfältig einsetzbar. Vor allem bei der Bekämpfung von Monstern, Terroristen, Außerirdischen und Nazis haben sie sich hervorgetan. Sie können fliegen, sie retten Kinder und sind praktisch unverwundbar. Außerdem gehört es zum guten Ton, dass sie wenigstens eine kleine Schwäche haben.

Die Superhelden, die auch an der Kinokasse so erstklassige Arbeit leisten, sind zu Supermenschen geworden, die auch mal scheitern dürfen.

Daredevil steht wie kein anderer für diese Entwicklung. 2003 wurde der Comic schon einmal verfilmt. Ben Affleck turnt im Kostüm durch Manhattan und man merkt, dass die Autoren keine Ahnung hatten, was sie mit diesem Helden anfangen sollten.

Im vergangenen Jahr bekam er eine neue Chance: Netflix produzierte eine exklusive Daredevil-Serie mit neuem Hauptdarsteller (Charlie Cox), komplett neuem Look und einem zwielichtigen Helden in Strumpfmaske. Daredevil ist so etwas wie der Batman der Comic-Marke Marvel: ein zerrissener Held, der vor Gewalt nicht zurückschreckt, wenn er damit seine Ziele erreicht.

In den neuen Folgen bekommt er Konkurrenz: Ein schwerbewaffneter Typ namens Punisher (Jon Bernthal) räumt rücksichtslos unter den Gangs von Hell's Kitchen auf und stellt die Frage, ob seine Methoden nicht die besseren sind.

Wirkliche Superkräfte hat Daredevil ihm nicht entgegenzusetzen: Er ist sehr stark und kennt jede Kampfsportart, aber Daredevils interessante Eigenschaften sind gar nicht superheldentypisch: Seit einem Unfall ist Matt, der sich hinter der Maske verbirgt, blind und findet sich über sein feines Gehör zurecht. Daredevil ist eine der wenigen Netflix-Serien mit einer Audiospur für blinde Zuschauer.

Daredevil macht vieles anders als die Marvel-Kinofilme: Sein Held ist ein blinder, katholischer Rechtsanwalt, der es mit Richtig und Falsch nicht so genau nimmt.

Ein Wagnis und ein Experiment

Die minutenlangen Kampfszenen sind virtuos wie in einem Martial-Arts-Film und kommen oft ohne einen Schnitt aus. Daredevil wagt etwas: ein komplizierter Held, Arthouse-Kameraeinstellungen und moralische Reflexionen wie in Christopher Nolans Batman-Film The Dark Knight.

Und Daredevil ist ein Experiment für Netflix: Marvels Avengers-Kinofilme etwa sind so erfolgreich, weil sie sich gegenseitig stützen. Es reicht, Fan eines der Helden zu sein, um in das ganze Franchise gesogen zu werden. Daredevil sollte der Auftakt zu einer solchen Reihe bei Netflix werden.

Bisher folgten im vergangenen Herbst Jessica Jones, weitere Helden sind geplant und alle werden bald als Defenders auf Verbrecherjagd gehen. Denn auch das können Superhelden ganz hervorragend: Zuschauer binden, und darauf kommt es Netflix an. Neben Daredevil bekommt auch Jessica Jones eine zweite Staffel, und noch in diesem Jahr soll eine weitere Serie namens Luke Cage starten.

Daredevil, ab sofort auf Netflix.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2016
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