Süddeutsche Zeitung

Nachlese zum Schweizer "Tatort":War da nicht gerade jemand?

Lesezeit: 2 min

Eines muss man den recht lahmen Schweizer "Tatort"-Ermittlern lassen: Sie schaffen es, dass sich der Zuschauer in "Verfolgt" genauso fühlt.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

Mit dem Mord an einer Reisekauffrau beginnt die Geschichte. Nein, eigentlich mit einem Mann auf der Flucht. IT-Experte Thomas Behrens führt die Kommissare Ritschard und Flückiger in einen Irrgarten aus Eifersucht, gestohlener Bankdaten und Wirtschaftsspionage. Oder ist Behrens einfach nur paranoid?

Lesen Sie hier die Rezension von SZ- Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Reto Flückiger berät sich nach dem Verhör von Thomas Berehns mit seinem Chef Mattmann.

Mattmann: Wenn da etwas dran ist, dann haben wir es mit dem Strafgesetz 271 zu tun. Wirtschaftsspionage. Dann müssen wir die Bundesanwaltschaft informieren und die Kollegen von der Bundeskriminalpolizei.

Ein Kollege zeigt den beiden ein Überwachungsvideo, in dem Behrens in einem Hutladen ausflippt und einen Passanten niederschlägt.

Mattmann: Es reicht. Merci.

Flückiger: Ich weiß nicht, für mich wirkt er irgendwie verstört und total unter Stress. Also, bevor wir jetzt die ganze Bundesanwaltschaft aufscheuchen, sollten wir zuerst einen forensischen Psychiater hinzuziehen.

Mattmann: Der braucht keinen Psychiater, der braucht Druck.

Die beste Szene:

Diskret sollten die Luzerner ermitteln. Das war die Ansage vom Chef, der sich um das deutsch-schweizerische Verhältnis sorgt. Vor allem Flückiger muss sich deswegen am Riemen reißen - aber irgendwann kann er sich nicht mehr zurückhalten. Als sich die Wirtschaftsbosse beider Länder auf ihrer Tagung gegenseitig bauchpinseln, holt er den verdächtigen Bankdirektor vor allen Augen aus dem Konferenzraum. "Ganz diskret", wie er sagt - und doch mit voller Wucht.

Die Erkenntnis:

"Die sind mächtiger als wir", resümiert Flückiger. Wenn es um die großen Finanz-Fische geht, sind den kleinen Ermittlern eben die Hände gebunden. Ein fades Fazit, aber passend zu den Schweizer Kommissaren.

Die besten Zuschauerkommentare:

Top:

In diesem Tatort ist der Titel Programm: Eine Terrassentür scheint wie von Geisterhand geöffnet, Autos mit getönten Scheiben halten hinterm Gartenzaun und immer wieder diese Männer mit Kapuze. Der Zuschauer fühlt sich irgendwann wie Behrens und seine Ehefrau: verfolgt. Und die Paranoia greift über: Moment mal, war da nicht gerade jemand?

Flop:

Ach, dieser Schweizer Tatort. Jetzt wäre die Thematik schon mal spannend, aber die Luzerner kommen einfach nicht aus dem Quark. Hängen sich an altbekannten Fragen auf und erkennen zu spät die Zusammenhänge. Viel zu spät. Und die beiden Kommissare wirken monoton. Flückigers nerviger Allerwelts-Klingelton tut ein Übriges.

Schon mal irgendwo gehört:

Die geheimen Konten auf den Cayman Islands. Aber ach, das war nicht im Film, sondern im richtigen Leben!

Bester Auftritt:

Als von Unbekannten gejagter IT-Experte bewegt sich Alexander Beyer gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Nervosität, Paranoia und völligem Durchdrehen. Als hätte er nie etwas anderes getan als Bankdaten schmuggeln.

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