Süddeutsche Zeitung

Journalisten-Klischees:Lästige Schmierfinken, schmuddelige Alkoholiker, eitle Fatzken

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Das Fernsehen verbreitet eifrig das Bild vom charakterlosen Journalisten. Ohne Not denunzieren "Tatort" und Co. einen Berufsstand, der für die Demokratie essenziell ist.

Von Karl-Markus Gauß

Kürzlich hat es mich in eine Pressekonferenz verschlagen. Auf dem Podium saßen ein älterer Herr im Anzug, der seine Äußerungen knapp und vage hielt, ein missmutiger Grantler, der es offenbar als Anschlag auf sich und seine Zeit verstand, überhaupt da sitzen zu müssen; und eine drahtige Dame, die erfahren darin wirkte, unwichtige Fragen zu beantworten und wichtige lächelnd abzuweisen. Es handelte sich um den Polizeipräsidenten einer mittelgroßen Stadt, seinen leitenden Kriminalkommissar und die Pressesprecherin der Polizei, die alle drei für die Journalisten, denen sie Auskunft geben mussten, nichts als Verachtung zu empfinden schienen.

Es war aber auch tatsächlich ein geiferndes Pack, das sich zu ihrer Befragung eingefunden hatte, lauter windige Vertreter der Schmutz-, Skandal- oder Lügenpresse, die den Polizisten mit Fangfragen irgendwas herauslocken wollten, das sich ihren Lesern als Sensation verkaufen ließe. Wüst riefen sie durcheinander, ein respektloser Haufen, in dem sich zwei besonders hervortaten: ein struppiger, schmuddeliger Alkoholiker, dem einzig ein besonders niederträchtiger Coup den Posten in seinem Blatt noch retten könnte, und ein selbstgefälliger Laffe, den man sich eher im Sonnenstudio als bei mühevoller Recherche oder konzentrierter Arbeit am Schreibtisch vorstellen mochte.

Kurz, ich war wieder einmal in eine Pressekonferenz des deutschen Fernsehens geraten! Damit meine ich nicht, dass die Verantwortlichen einer Fernsehanstalt Rede und Antwort über ihr Programm oder die mediale Zukunft standen. Nein, es ging vielmehr um eine jener Pressekonferenzen, wie sie nahezu täglich in einem der zahllosen Serienkrimis des deutschen Sprachraums abgehalten werden. Das Bild, das darin gewohnheitsmäßig von jenen gezeigt wird, deren freie Berufsausübung zu den demokratischen Errungenschaften gehört und vom Grundgesetz geschützt wird, ist merkwürdig. Denn was anderswo autoritäre Herrscher behaupten, das weiß der deutsche Fernsehfilm schon lange: dass Journalisten einer verachtenswerten Berufsgruppe angehören, am liebsten im Schmutz wühlen, aus Lügen Nachrichten machen und nichts als ihren eigenen Vorteil im Auge haben.

Längst werden auch in Europa kritische Journalisten bedrängt

Der Journalist, wie er serienweise durchs Fernsehen wandert, stammt fast immer aus den tiefsten Tiefen des Boulevards, für ihn gilt, was Miloš Zeman von ihm sagte, dass er nämlich ein Geschöpf der Kloake wäre. Auf einer legendären Pressekonferenz mit Putin hatte der Präsident Tschechiens feixend festgestellt, dass zu viele Journalisten anwesend seien und es sinnvoll wäre, sie zu liquidieren, wobei ihn Putin gut gelaunt mit den Worten einbremste, es genüge, sie zu reduzieren. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat kürzlich berichtet, dass 2018 bereits 56 Journalisten, vier Medienmitarbeiter und zehn Blogger ermordet wurden, von denen, die inhaftiert, malträtiert, mit Arbeitsverbot belegt wurden, gar nicht zu reden. Und der in München ansässige Verein "Journalisten helfen Journalisten" kommt gar nicht nach, Kollegen und Kolleginnen, die es weltweit und zunehmend auch in Europa mit der Staatsmacht, dem organisierten Verbrechen oder einem aufgehetzten Mob zu tun bekommen, moralische und materielle Hilfe zuteil werden zu lassen.

Dass Politiker, die auf eine illiberale Demokratie setzen oder lieber gleich despotisch regieren, die Pressefreiheit nicht schätzen, ist naheliegend. Aber bis sie es wagen können, diese auch tatsächlich einzuschränken, müssen sie vorher einen ganzen Berufsstand der allgemeinen Verachtung preisgegeben und die Bevölkerung davon überzeugt haben, das Metier von Journalisten sei Lügen, Denunzieren und Erpressen. Natürlich gibt es verlogene, denunziatorische, erpresserische und schlichtweg charakterlose Journalisten, seit es die Presse gibt. Wer sie aber mit jenen anderen identifiziert, die dort recherchieren, wo die Akten vorschnell geschlossen werden, publizistische Hofschranzen die Unwahrheit verkünden und die offizielle Propaganda läuft wie geschmiert, betreibt vorsätzlich oder aus selbst verschuldeter Dummheit das Geschäft der Gegenaufklärung; oder er leistet gar jenen Vorschub, die gegen sensationsgierige Journalisten wettern, aber kritische meinen und mundtot machen möchten.

Dass in seichten Unterhaltungsfilmen stets eitle und lästige Fatzken als Journalisten firmieren, ist ärgerlich, aber dass selbst in Serien mit kritischem Anspruch die simpelsten Klischees über eine gewissenlose Journaille verbreitet werden, ist erbärmlich. Damit bin ich leider bei einer Sendereihe angekommen, die gewiss zu den ehrwürdigen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört. Ja, ich gebe es gerne zu, auch ich zähle zu jener frommen Gemeinde, die sich nicht am Sonntagvormittag in der Kirche, sondern am Abend beim "Tatort" einfindet. Von den vielen Kommissaren und Kommissarinnen, die in allen Ecken der Republik arbeiten und in ihren Charakteren eine originelle Auswahl zeitgenössischer Marotten, Obsessionen, Neurosen repräsentieren, hegen die meisten eine sympathische Sympathie für die kleinen Leute und ein verständliche Aversion gegen die Gutgestellten. Wen aber alle Ermittler gar nicht mögen, das sind zum einen die Anwälte, ein Beruf, der offenbar nur erfunden wurde, um möglichst viele Gewalttäter in Freiheit zu halten. Und zum anderen die Journalisten, die im "Tatort"-Ranking der verächtlichen Berufe noch unter den juristischen Rechtsverdrehern stehen.

Längst werden auch in Europa kritische Journalisten bedrängt, und sogar im Sendegebiet des "Tatort" soll es kritischen Aufdeckern und Kommentatoren nicht immer gedankt werden, dass sie eine Arbeit tun, ohne die es um die Demokratie bald schlecht stünde. Aber am Sonntagabend erfahren wir, dass Journalisten ein Gesindel sind, das sich anständige Polizisten mit Rempeleien, Beleidigungen, Drohungen vom Leibe halten. Am liebsten sind mir von allen Kommissaren übrigens die beiden aus München, vielleicht weil Leitmayr und Batic auf so charmante Weise miteinander und mit mir gealtert sind. Nur wenn sie es mit Journalisten zu tun bekommen, da reagieren sie allergisch: Auch sie können sie einfach nicht ausstehen, diese Schmierfinken.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2018
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