Süddeutsche Zeitung

Serie "Veep":Das darf doch nicht wahr sein

Lesezeit: 4 min

Seit Jahren ist "Veep" die beste Serie über den US-Politbetrieb. Seit Trump Präsident ist, stellen die Macher fest: "Es ist mitunter erschreckend, wie die Realität unsere Storys einholt."

Von Matthias Kolb, Austin

Ein selbstbezogener Präsident regiert im Weißen Haus, der fehlende Detailkenntnis mit enormem Ehrgeiz kompensiert und vor allem geliebt werden will. Prinzipien gibt es keine, die Prioritäten richten sich nach Umfragezahlen. Die Mitarbeiter sind inkompetent und damit beschäftigt, das alltägliche Chaos zu verwalten und Katastrophen zu verhindern.

Dies ist nicht nur die Bilanz der bisherigen Amtszeit von Donald Trump, sondern auch Hintergrund der vergangenen zwei Staffeln von Veep, der fraglos besten Polit-Satire. Julia Louis-Dreyfus spielt darin US-Präsidentin Selina Meyer, die sich aus dem Amt der Stellvertreterin bis ins Oval Office intrigiert hat. Fünf Mal in Folge hat sie dafür den Emmy erhalten, 2015 und 2016 wurde Veep als beste Komödie ausgezeichnet. Entsprechend groß ist die Vorfreude auf Staffel sechs, die Mitte April bei HBO und in Deutschland bei Sky startet. Beim "South by Southwest"-Festival in Austin warten Hunderte Fans mehr als eine Stunde, um von Showrunner David Mandel und Louis-Dreyfus erste Details zu erfahren.

Gekonnte Persiflage des Washingtoner Politikbetriebs

"Ich will keine Trump-Anspielungen machen", sagt die 56-Jährige auf die Frage von Chuck Todd, die hier alle beschäftigt. Todd ist als Moderator der NBC-Talkshow Meet the Press eine jener Figuren des abgehobenen Washingtoner Politikbetriebs, den "Veep" so gekonnt persifliert. Momentan sind es vor allem die Late-Night-Moderatoren, die das Handeln einer Regierung satirisch überhöhen müssen, das an Absurdität kaum zu überbieten ist - siehe die "alternative facts" von Kellyanne Conway.

Der Plot der neuen Veep-Staffel stand längst fest, als Trump Kandidat wurde und die Show vermeidet Anspielungen ohnehin. "Wir haben ein Paralleluniversum erschaffen, in dem Ronald Reagan der letzte Bezugspunkt ist", erklärt Louis-Dreyfus. Dies schütze die Autoren davor, die Realität zu kommentieren. "Wir konkurrieren nicht mit Saturday Night Live", sagt Louis-Dreyfus, deren Karriere in den Achtzigern bei SNL begann, bevor sie mit Seinfeld bekannt wurde. SNL sei momentan brillant, schwärmt sie, doch eine Serie könne mit der absurden Gegenwart nicht mithalten.

Neben Louis-Dreyfus und Chefautor Mandel sitzen in Austin sieben Hauptdarsteller auf der Bühne und alle berichten, nun besessen die Nachrichten zu verfolgen. Anna Chlumsky, der Ex-Kinderstar aus My Girl, spielt die Büroleiterin von Präsidentin Meyer und empfand zunächst viel Sympathie für die Mitarbeiter von Politikern: "Das ist komplett weg - wie kann man nur Trump helfen?" Alle nicken, als Chlumsky sagt: "Satire hat etwas Inklusives, auf das sich alle einigen können. Wir lachen gemeinsam über Politiker, aber geben nicht vor, welche Inhalte richtig sind."

Im Interview berichten Louis-Dreyfus und Mandel stolz, dass Republikaner und Demokraten die Serie schätzen - und überzeugt sind, dass Selina Meyer der jeweils anderen Partei angehört. Ihre Meinung über Trump hat Julia Louis-Dreyfus Ende Januar bei der Gala der "Screen Actors Guild" klar gemacht: "Der Einreisebann ist eine Schande und unamerikanisch." Zu diesem Statement habe sie sich spontan entschlossen, sagt sie der SZ: "Schweigen wäre unpatriotisch gewesen. Das Thema ist sehr persönlich, meine Großeltern sind aus Frankreich vor den Nazis geflohen."

Die Veep-Stars sind wie Millionen andere Menschen oft fassungslos über das Spektakel in Washington. "Wenn Charaktere das sagen würden, was Sean Spicer oder Kellyanne Conway von sich geben, würde uns HBO das Skript zurückgeben", meint Tony Hale, der Meyers ebenso loyalen wie beschränkten Assistenten Gary spielt: "Es wäre schlicht zu unglaubwürdig." Es sei mitunter erschreckend, wie die Realität Storys von Veep einhole, sagt David Mandel. Dass Australiens Premier Malcolm Turnbull den sinnfreien Veep-Slogan "Kontinuität mit Wandel" übernahm, wirkt in Zeiten von Trump fast harmlos. In Staffel fünf gibt es eine Episode, in der Präsidentin Meyer ihre Konkurrenten via Twitter beschimpft und nach öffentlicher Kritik die Schuld chinesischen Hackern gibt.

Trump würde ideal zu Veep passen

Der Polit-Neuling Trump würde ideal zu Veep passen, meint Mandel: "Er verspricht, den Sumpf in Washington trockenzulegen und füllt sein Kabinett mit Managern von Goldman Sachs." Auch hier gibt es Parallelen, so Louis-Dreyfus: "Selina steigt mit dem Chef einer Bank ins Bett, während sie öffentlich die Finanzbranche kritisiert und überlegen muss, welches Geldhaus sie rettet."

Auch wenn Mandel in seiner Show keine Trump-Anspielungen akzeptiert: Comedy sei eine "gute Waffe" gegen den dünnhäutigen Präsidenten, weil der keinen Humor habe und es hasse, verspottet zu werden. "So kann man ihn vielleicht ein wenig beeinflussen, Fakten sind Trump meist egal."

Ein Veep-Markenzeichen sind die kreativen Flüche und Obszönitäten, und auch hier hatte Trump Einfluss. In der sechsten Staffel sei der Satz "Wir haben jemand angeheuert, der dich anpinkelt" gefallen, so Mandel: "Das wurde gestrichen, weil im Internet diese unbelegten Gerüchte über Trumps Moskau-Besuche kursieren."

Bei Veep wird also alles, was der absurden Realität zu nahekommt, gestrichen. Showrunner Mandel ist froh, dass die Arbeit an der neuen Staffel erst im Juli beginnt: "Es braucht noch etwas mehr Perspektive, wohin sich Trumps Amtszeit entwickelt. Erst dann werden wir sehen, in welche Richtung wir gehen." Man darf gespannt sein: Als Chefproduzentin hat Louis-Dreyfus viel Freude daran, die Serie in ungeahnte Richtungen zu führen. Der Titel Veep ist eine Abkürzung für den Vizepräsidenten, doch dem Amt ist Selina Meyer längst entwachsen - zum Ende von Staffel fünf ist sie sogar Ex-Präsidentin.

"Wer über Trump nicht lachen kann, findet vielleicht bei uns Ablenkung"

Die neuen Folgen erkunden also, wie Politiker mit Niederlagen umgehen. "Selina ist am Boden zerstört, doch sie ist so egozentrisch, dass sie alles tun wird, um weiter im Zentrum zu stehen", sagt Louis-Dreyfus. Es geht also um Buchverträge, Redehonorare und darum, wie Macht zur menschenverändernden Droge wird. Dieser psychologische Ansatz macht Veep deutlich interessanter als die Netflix-Serie House of Cards, deren Handlung mittlerweile so verworren ist, dass auch Kevin Spacey Präsident Underwood nicht retten kann. Eine Prognose, ob die Aktualität ihre Serie noch populärer machen wird, wagt keiner der Veep-Darsteller. "Wer über Trump nicht lachen kann, findet vielleicht bei uns Ablenkung", hofft Tony Hale.

Für Julia Louis-Dreyfus ist Satire "gerade in diesen schlimmen Zeiten überlebenswichtig" und sie ist überzeugt, dass ihre Figur Selina Meyer nicht auserzählt ist. Auf die Frage, ob sie nicht mal wieder für einen großen TV-Sender arbeiten wolle, antwortet sie: "Das kann ich mir nicht vorstellen. HBO gibt uns alle Freiheiten." Doch ihr nächster Satz klingt wie ein US-Politiker, der Ambitionen aufs Weiße Haus leugnet: "Ich denke nicht an den nächsten Schritt."

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Quelle:
SZ vom 20.03.2017
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