Süddeutsche Zeitung

Interview:"Das tut der Formel 1 in Deutschland sicherlich nicht gut"

Lesezeit: 3 min

Nach 30 Jahren wird RTL die Königsklasse des Motorsports ab 2021 nicht mehr übertragen. Moderator Florian König über die besonderen Anfänge mit Rekordweltmeister Michael Schumacher und die Zukunft der Rennserie.

Interview von Anna Dreher

Mit dem Großen Preis von Frankreich in Magny-Cours am 7. Juli 1991 fing alles an: RTL stieg in die Live-Berichterstattung der Formel 1 ein. Kurz danach begann die Karriere von Michael Schumacher. Der siebenmalige Weltmeister löste einen Hype in Deutschland um die einstige Randsportart aus, von dem auch RTL mit einem Millionenpublikum profitierte.

Ab 2021 aber ist Schluss - die Rechtekosten seien zu hoch, hieß es. "Wenn Konkurrenten im Spiel sind, die bereit sind, das Doppelte zu bieten, muss man sich mit einem Ausstiegsszenario zwangsläufig auseinandersetzen", sagte RTL-Sportchef Manfred Loppe.

Stattdessen wird künftig der Pay-TV-Sender Sky die Formel 1 übertragen, das gab der Sender am Montag bekannt. Die wegen der Corona-Pandemie erst mit dem Rennen am 5. Juli in Österreich beginnende diesjährige Saison aber wird wie gewohnt von RTL übertragen, mit Moderator Florian König.

SZ: Herr König, wenn RTL ab 2021 aus der Formel 1 aussteigt, enden damit auch Ihre 25 Jahre in der Königsklasse des Motorsports. Was bedeutet das für Sie?

Florian König: Das ist ein Gedanke, an den ich mich erst gewöhnen muss. Die Formel 1 hat meine berufliche Identität maßgeblich mitbestimmt. Das wird auf jeden Fall ein Einschnitt, der mein Leben verändert.

Der Einstieg in die Formel 1 von RTL damals fiel mit dem Start der Formel-1-Karriere von Michael Schumacher zusammen - dem bis heute erfolgreichsten Fahrer. Die Rennserie stieg zur beliebtesten Sonntags-Fernsehsportart der Deutschen auf.

Wir sind da auf einer Erfolgswelle mitgeschwommen und haben dem Affen natürlich auch Zucker gegeben. Wir haben Michael Schumacher rauf und runter berichtet. Das war eine außergewöhnliche Zeit: die Tribünen und Camping-Plätze am Nürburgring oder in Hockenheim voller roter Kappen und Fahnen, die Fans haben ihren Jahresurlaub dort teils im Matsch verbracht. Das war eine andere Identifikation, als es heute der Fall ist. Diese Hingabe, die Michael geschenkt wurde und sich auch im Interesse an unserer Berichterstattung gezeigt hat: Das waren Dimensionen, in die man nicht wieder vorgestoßen ist und es ganz sicher auch nie wieder wird.

2021 verlässt der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel die Formel 1 womöglich, nachdem sein Vertrag bei Ferrari nicht verlängert wurde. Es könnte also sein, dass erstmals seit 1991 kein deutscher Fahrer bei einem Grand Prix startet. Inwiefern hat das die Entscheidung von RTL beeinflusst?

Wir haben schon gemerkt, dass Sebastian für uns wichtig ist. Wenn er irgendwo ausfiel, dann haben viele Leute abgeschaltet. Aber ich denke, zu allererst waren es wirtschaftliche Gründe, die zum Ausstieg geführt haben. Die Branche ist im Umbruch, Sportrechte sind heiß umkämpft. Und klar: Nicht genau zu wissen, wie sich eine Sportart entwickelt, trägt nicht zu locker sitzenden Spendierhosen bei. Es sagt hierzulande niemand mehr: Komm, gib her den Scheck, ich unterschreibe einfach.

Welche Auswirkungen wird der Ausstieg auf den Sender insgesamt haben?

Das abzuschätzen, ist schwierig für mich. Über die Jahre haben die Marke RTL und die Marke Formel 1 in Deutschland ja tatsächlich quasi gottgegeben zusammengehört. Selbst die deutschen Rennfahrer von früher bis heute haben die Formel 1 als Kinder bei RTL geguckt mit Kommentator Heiko Waßer, Reporter Kai Ebel und Moderator Florian König. Ich habe jetzt von vielen gehört: Das hat meine Jugend geprägt, das gehörte zum Wochenende. Natürlich kann man so etwas als Sender nicht direkt ersetzen.

Wie hat sich die Formel 1 und die Berichterstattung über sie verändert?

Die Anfangsjahre waren schon besonders. Wenn Michael ein Rennen gewonnen hat, traf man sich hinterher am Bus des Caterers von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, Norbert Haug (damals Motorsportchef von Mercedes, Anm. d. Red) hat auf der Gitarre gespielt und es wurde gesungen. Wir haben früher auch regelmäßig mit Michael und seinem Bruder Ralf auf den Wiesen Fußball gespielt. Das war völlig normal. Es gab auch noch keine abgesprochenen Interviews. Da ist man durchs Fahrerlager gelaufen und hat gehofft, dass einem Heinz-Harald Frentzen über den Weg läuft. Heute ist das Persönliche durch die Professionalisierung weniger geworden.

Wie sehr wird das Interesse an der Formel 1 sinken, wenn sie nicht mehr im Free-TV zu sehen ist?

Das tut der Formel 1 in Deutschland sicherlich nicht gut. Wir hatten ja immer noch eine große Reichweite. Aber es wäre nicht vergleichbar mit früher, wenn es 2021 keinen deutschen Fahrer, kein Rennen in Deutschland und die Formel 1 nur noch im Pay-TV zu sehen gäbe. Ob die Formel 1 noch stark genug ist, das zu tragen, halte ich für fraglich.

Hinzu kommt die zunehmende grundsätzliche Kritik an der Formel 1 im Rahmen der Debatte um den Klimawandel. Sind die Hochzeiten einfach vorbei? Oder könnte ein Einstieg von Mick Schumacher zu einem ähnlichen Hype in Deutschland führen, wie damals bei seinem Vater?

Mit dem Namen Mick Schumacher verbinden natürlich viele große Hoffnungen. Aber er muss jetzt erst einmal seine zweite Saison in der Nachwuchsserie Formel 2 fahren, dann den Sprung in die Formel 1 schaffen und dann bei einem konkurrenzfähigen Team Leistung bringen. Die Rückkehr der Popularität einer ganzen Sportart auf den zugegeben immer breiter werdenden Schultern von Mick abzuladen ist vielleicht auch ein bisschen viel.

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