Süddeutsche Zeitung

Fall Böhmermann:Erdoğan-Anwalt spricht von rassistischem Hintergrund

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Recep Tayyip Erdoğan hat noch nicht genug. Im Streit um das Schmähgedicht von Jan Böhmermann legte sein Anwalt, Mustafa Kaplan, nun Berufung ein. Erdoğan will das Gedicht komplett verbieten lassen.

Kaplan sagte der SZ, Böhmermann habe mit dem Gedicht nicht nur den türkischen Präsidenten, sondern auch das türkische Volk verletzen wollen. Anders sei nicht zu verstehen, warum er die Beleidigungen auch noch ins Türkische übersetzt und dabei die türkische Fahne gezeigt habe. "Ich lebe seit 42 Jahren in Deutschland", sagt der Kölner Anwalt. "Aber immer wieder kommen diese schlechten Witze, Türken hätten Sex mit Tieren. Mal mit Eseln, mal mit Ziegen, mal mit Hühnern. Ich weiß nicht, was sich die Leute noch alles einfallen lassen." Für Kaplan hat das Schmähgedicht eindeutig einen rassistischen Hintergrund: "Ich behaupte nicht, dass Jan Böhmermann ein Rassist ist. Aber ich ärgere mich, dass er auf dieser Klaviatur spielt."

Kaplan wirbt um Verständnis für das Ehrgefühl von Türken und Arabern. "In Deutschland sehen wir das viel cooler. Aber viele meiner türkischstämmigen Mandanten sagen: 'Da ist eine Grenze überschritten. Was soll das? Warum dieses Niveau? Warum so unter der Gürtellinie?' Und das sind nicht nur Anhänger von Herrn Erdoğan. Wenn es unter die Gürtellinie geht, ist das in diesem Kulturkreis schnell ehrverletzend."

Böhmermann hatte die Verse am 31. März 2016 im Neo Magazin Royale vorgetragen und damit den Rechtsstreit mit Erdoğan sowie große diplomatische Verstimmungen ausgelöst. Nun fechten beide Seiten ein Urteil des Hamburger Landgerichts an.

Das Landgericht Hamburg hatte Böhmermann am 10. Februar untersagt, Passagen mit sexuellem Bezug und sonstigen Schmähungen aus dem Gedicht zu wiederholen. Sonstige harmlosere Passagen sind aber weiterhin erlaubt, etwa die Zeile: "Sackdoof, feige und verklemmt / Ist Erdoğan der Präsident." Der türkische Staatspräsident müsse diese Textpassagen aufgrund seiner Stellung und angesichts der Politik hinsichtlich seiner Kritiker hinnehmen, befand das Gericht. Erdoğan will das aber nicht. Sein Schritt nun ist eine sogenannte Anschlussberufung und war zu erwarten.

Böhmermann will das genaue Gegenteil erreichen - dass er weiterhin das komplette Gedicht verbreiten darf. Dazu legte der Anwalt des Satirikers, Christian Schertz, bereits im März Berufung ein und bezog sich unter anderem auf die Kunstfreiheit. "Man kann ein Kunstwerk nicht in seine Einzelteile sezieren", sagte Schertz damals der SZ. Momentan ist es Böhmermann verboten, bei Androhung einer Ordnungsstrafe von bis zu 250 000 Euro, das Schmähgedicht vorzutragen.

Der Streit ist nun vom Landgericht zum Oberlandesgericht (OLG) gewandert. Böhmermanns Anwalt hat bis Ende August Zeit, auf den Antrag zu antworten. Mit einem Verhandlungstermin rechnet Kaplan erst im Oktober.

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