Süddeutsche Zeitung

RTL-Dschungelcamp 2018:Tag elf im Dschungel: Du fehlst. Du bist so tapfer. Bleib wie du bist.

Lesezeit: 3 min

Die Camper bekommen Plattitüden-Post von ihren Lieben. Daniele Negroni möchte seiner Mutter etwas Wichtiges sagen. Nämlich: "Hast du mal 'ne Kippe?"

TV-Kritik von Johanna Bruckner

Thema des Tages: der unfreiwillige Nikotin-Entzug des Daniele Negroni. (Ja, schon wieder diese Sache - wir müssen jetzt gemeinsam stark sein.) So langsam beschleicht einen das Gefühl, dass das Dschungelcamp 2018 eine Dauerwerbesendung der Zigarettenindustrie ist. Wenn so Kippen-Verzicht aussieht, sei jedem empfohlen, weiter zu rauchen. Noch bevor das erneute Rauchverbot ausgesprochen ist, macht Ex-DSDS-Teilnehmer Daniele auf Pop-Wüterich Dieter Bohlen: "Wenn ich morgen keine Zigaretten mehr hab', dann werd' ich zum Tier." Als der Sender dem HB-Buschmännchen dann tatsächlich den Nikotin-Nachschub streicht, attackiert Daniele zwei, die erfahrungsgemäß keine Widerworte geben: Schlagersängerin Tina York und die RTL-Kamera. Es ist die Rede von einem überlaufenden Fass und Psychoterror.

Was Daniele nicht weiß: Seine Opfer verbünden sich. Tina sagt im Einzelinterview: "Ich war erstaunt, dass jemand so lange rumbrüllen kann. Und immer wieder das Gleiche."

Worüber wurde am Lagerfeuer gesprochen? Über die Lieben zu Hause. Die melden sich an Tag elf postalisch im Camp - wirklich Neues haben sie den Bewohnern aber nicht zu sagen. Stattdessen: die seit elf Staffeln bekannten Ermutigungsformeln. Hier die Top Five:

  • Du fehlst.
  • Ich bin stolz auf dich./Wir sind stolz auf dich.
  • Du bist so tapfer.
  • Du gehst deinen Weg.
  • Bleib' so, wie du bist.

Nur die Angehörigen von Reality-TV-Allesbespieler Matthias Mangiapane und Fernsehshow-Hopperin Natascha Ochsenknecht zeigen sich kreativ. Matthias bekommt einen schriftlichen Heiratsantrag von Lebensgefährte Hubertus (und nimmt ihn an). Natascha wird von ihren Söhnen gebeten, doch bitte keine Tier-Penisse mehr zu essen (und lehnt ab).

Tragende Rolle: die ungekrönte Dschungelkönigin 2018. In einem Camp, das aus Abklemmern, Nörglern und Dauerschläfern besteht, ist sie die Dämmerlichtgestalt: Tina York, 63, Schlägersängerin. Sie strahlt nicht jenes grelle Neonlicht aus, das so typisch ist für das Realityfernsehen. Tina York zeichnet eine sanfte, unaufdringliche Helligkeit aus. Oft unterschätzt, immer überlegen. Mitcamperin Tatjana trägt nachts eine Schlafmaske, Tina schläft mit offenen Augen. Zwei haben bereits aufgegeben, sie harrt aus ("Also langsam hab' ich das Gefühl, meine Knochen sitzen auf dem Baumstamm"). Andere nehmen den Auszug von Ansgar Brinkmann einfach so hin, sie kämpft für ein Bleiberecht. "Wenn das nicht gesendet wird, dann halten wir unsere Klappe und Ansgar bleibt drin." Klappt am Ende nicht - als Enklaven-Regentin im australischen TV-Dschungel kämpft sie gegen höhere Kräfte. Fernsehmächte.

Schwächere Herrscher würden darüber bitter werden, missgünstig. Tina hat das nicht nötig. "Wenn du lächelst, gewinnst du die Zuschauer sowieso", erklärt sie Untertanin Jenny Frankhauser. Jenny strahlt, Tina lächelt fein.

Und die Dschungelprüfung? Rangiert einmal mehr unter: ferner liefen. Daniele sagt zu Beginn: "Ich werd' schon nicht sterben." Mitstreiterin Kattia Vides am Ende: "Besser als nichts!" Bedeutet in Zahlen: drei von acht Sternen für ein Geschicklichkeitsspiel mit verbundenen Augen und fiesen, grünen Ameisen.

Tier des Tages: das Muttertier. Ist bereit, viel zu tun und noch mehr zu ertragen. Zum Beispiel die Mutter von Daniele Negroni. Sie schreibt ihrem Sohn einen Brief. Ins Dschungelcamp. Also an jenen Ort, an dem ein Elternteil sein Kind in etwa so gerne sieht wie im Behandlungsstuhl beim Kieferorthopäden. Und wie dankt es ihr der Sohn? Er erklärt, dass er seiner Mama, wenn sie jetzt vor ihm stünde, gerne eines sagen würde: "Ich würd' sie bitten, dass sie mir eine Zigarette anmacht."

Satz für die TV-Annalen: "Wenn hier jeder wie die Axt im Walde durchgehen tut, wären schon überall die Köpfe unter den Matratzen." (Matthias Mangiapane über den Kommunikationsstil von Daniele Negroni. Soll ins Deutsche übersetzt wohl heißen: Der Ton macht die Musik.)

Wer ist raus? Tatjana Gsell.

Moral der Geschichte? Marc Aurel soll einst gesagt haben: "Man bereut nie, was man getan, sondern immer, was man nicht getan hat." Klingt gut - stimmt nur meistens nicht. Ansgar Brinkmann, der am Vortag noch mit breiter Brust in Richtung Kameras gerufen hatte: "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!", bereut diese Worte keine 24 Stunden später. Beim Auszug fallen Sätze wie: "Ich wollte ja gar nicht raus." Und "Echt schade, so im Nachhinein". Zurück im Hotel Versace ruft Ansgar umgehend seinen Kumpel an, Fußballmanager Reiner Calmund - ein echter Freund weiß schließlich, was man in einem solchen Moment hören möchte. Calmund sagt: "Warum hast du nicht auf die Zähne gebissen?"

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