Süddeutsche Zeitung

Bundesvision Song Contest bei Pro Sieben:Bitte kürzen

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16 Bands plus anderthalb Stunden Geplänkel: Am Ende einer viel zu langen Show gewinnt Bosse mit dem locker-poppigen Titel "So oder so" den neunten Bundesvision Song Contest. Und Moderator Stefan Raab? Macht Dienst nach Vorschrift.

Von Matthias Kohlmaier

Richtig ärgerlich wird es um 22:30 Uhr, in mehrfacher Hinsicht. Denn da haben zwar alle 16 Musikgruppen ihren Beitrag zum neunten Bundesvision Song Contest auf Pro Sieben vorgestellt, doch ein Blick in die Fernsehzeitung verrät: Bis zur Entscheidung müssen noch mehr als anderthalb Stunden totgeschlagen werden.

Nachdem Stefan Raab und Co-Moderatorin Sandra Rieß über mehrere zähe Minuten das unangenehm komplizierte Telefon-/SMS-Wahlsystem erklärt haben, ist die Lust auf einen Programmwechsel noch größer. Und nachdem Raab die verwirrende Erklärung mit "Wer das nicht verstanden hat, bitte zu RTL 2 umschalten" abschließt, greift man sogar kurz nach der Fernbedienung. Aber bei RTL 2 läuft gerade Frauentausch, das kann niemals eine Alternative sein.

Viele Schnelldurchläufe der Teilnehmer, viele Aufrufe zum Telefonvoting und viele Werbepausen später ist es dann endlich so weit; der Bundesvision Song Contest 2013 hat einen Sieger. Bosse holt mit seinem locker-poppigen Song "So oder so" Platz eins für Niedersachsen. Zurück bleibt neben einer Menge Konfetti in der Mannheimer SAP-Arena die Frage: Ließe sich ein derartiger Wettbewerb nicht zuschauerfreundlicher gestalten?

Offenbarung vor der Werbung

Nichts gegen das grundsätzliche Prinzip der Sendung. Jungen und teils wenig bekannten Musikern zur Primetime eine Plattform zu bieten, ist eine tolle Idee, für die Pro Sieben Anerkennung verdient. Dass am Ablauf des Abends aber etwas gravierend nicht stimmt, zeigt sich im Anschluss an die 16 dargebotenen Songs. Kurz bevor die Werbung startet, zieht die Kamera auf, die ganze Halle kommt in den Blick. Was tun die Zuschauer vor Ort? Sie gehen nach Hause, scharenweise.

Später als, ganz wie beim Vorbild Eurovision Song Contest, die Punkte verteilt werden, ist die Halle halbleer. Was der Stimmung zum Glück keinen Abbruch tut, denn im Publikum herrschte auch bei vollem Haus Totentanz. Für die Produzenten/Ausrichter der Show (Raab TV im Auftrag von Pro Sieben) kann das nur heißen: verknappen und kürzen. Kaum jemand will am Donnerstagabend vier Stunden vor dem Fernseher sitzen.

Und apropos Vorbild Eurovision Song Contest: Dort gibt es eine kluge Regel, die besagt, dass kein Land sich selbst Punkte geben darf. Von wegen Objektivität und so. Beim Raab'schen Liederwettbewerb dagegen darf sich jedes Bundesland munter selbst die Maximalpunktzahl zuschustern. Wenig überraschend geben also 14 der 16 Länder ihrem heimischen Künstler "unsere zwölf Punkte". So wird zwar vermieden, dass ein Teilnehmer sich am Ende mit null Punkten blamiert. Sinnvoll kann das dennoch nicht sein.

Matthias Sammer wäre böse

Aber zum Glück bietet der überlange Fernsehabend ein paar abwechslungsreiche Musiker. Von den plattdeutsch rappenden De fofftig Penns aus Bremen über Girlie-Punk a là The toten Crackhuren im Kofferraum bis hin zum melancholischen Pop vom Hamburger Teilnehmer Johannes Oerding. Das ist eine feine Auswahl, die Spaß macht.

Dazu bleibt dem TV-Publikum immerhin Pro Siebens liebste Backstage-Moderatorin Rebecca Mir erspart, den Job übernimmt Dauer-Sidekick Elton. An vorderster Moderationsfront wirkt Stefan Raab nach den vielen Polit-Shows der vergangenen Wochen ein wenig müde. Der berufsgrimmige FC-Bayern-Sportchef Matthias Sammer würde ihm am Ende des Abends vermutlich "Dienst nach Vorschrift" bescheinigen. Nach Raabs zuletzt üppigem Dienstplan ist eine latente Lustlosigkeit aber ein wenig verständlich.

Jetzt hat der Dauer-Moderierer erst mal Pause, am Montag muss er dann bei TV Total wieder ran. Bosse wird zu Gast sein und über seinen Triumph plaudern. Und die Show wird zum Glück keine vier Stunden dauern.

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