Süddeutsche Zeitung

Anne Will zur Impfpflicht:"An alle Politiker hier: Klären Sie das doch intern"

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Gesundheitsminister Lauterbach und CSU-Generalsekretär Blume liefern sich einen Schaukampf. Und eine Virologin macht sich Luft.

Von Kathrin Müller-Lancé

Inzwischen wurde im deutschen Talk-Fernsehen so häufig über die Impfpflicht diskutiert, dass man das Wort schon fast im ersten Anlauf unfallfrei in die Tastatur gehackt bekommt. Wie die Pandemie scheint auch die Debatte um die Corona-Impfpflicht in Wellen zu verlaufen: Erst wurde diskutiert, ob es eine Impfpflicht wirklich brauche, dann, ob die Parlamentarierinnen und Parlamentarier die Entscheidung darüber nach Parteilinie oder persönlichem Gewissen treffen sollten. Nachdem der bayerische Ministerpräsident und Team-hin-und-her-Kapitän Markus Söder angekündigt hat, die eigentlich beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht mehr oder weniger auszusetzen, ist die dritte Welle der Debatte erreicht: Lässt sich die Impfpflicht in der Praxis umsetzen? Und ist sie angesichts der milderen Omikron-Variante überhaupt noch nötig?

Um diese Fragen zu besprechen, hat Anne Will unter anderem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und CSU-Generalsekretär Markus Blume eingeladen. Auch wenn noch drei weitere Gäste auf den beigen Sesseln Platz genommen haben, entwickelt sich der Abend vor allem zu einem Schaukampf zwischen Lauterbach und Blume.

Wer genau hinhört, kann in Lauterbachs rheinischem Singsang sogar ein leichtes Crescendo wahrnehmen: "Stellen Sie sich doch nicht dümmer als Sie sind", wirft er Blume irgendwann vor. Für den Vorstoß der bayerischen Landesregierung, die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorerst nicht umzusetzen, hat der Gesundheitsminister wie zu erwarten wenig Verständnis übrig: "Wir können uns nicht aussuchen, welche Gesetze für uns gelten."

"Seit wann ist ein bayerischer Ministerpräsident jemand, der sich nicht mehr ans Gesetz gebunden fühlt?", will auch Moderatorin Will von Blume wissen. Der Mann mit dem vermutlich undankbarsten Job in der Runde verweist darauf, dass "bis zum heutigen Tag" Vollzugshinweise für das Gesetz fehlten. Lauterbach kontert: "Die 23-seitige Handreichung mag Ihnen nicht genügen. Konstruktive Vorschläge nehme ich gerne entgegen."

Probleme bei der Umsetzung sieht auch Elke Keiner, Leiterin eines Pflegeheims im sächsischen Freital, in dem 27 von 81 Mitarbeitenden nicht geimpft sind. Sie fürchtet, dass die Impfpflicht die ohnehin schon angespannte Personalsituation in der Pflege verschärft: "Wenn man auf ein Dach, dass schon keine Schindeln hat, jetzt noch einen Sturm drüberschiebt, dann muss man sich nicht wundern, dass das Dach hinterher gar kein Dach mehr ist."

Dass es auch anders geht, berichtet die Virologin Jana Schroeder. In ihrem Klinikverbund in Nordrhein-Westfalen gebe es Einrichtungen mit einer hundertprozentigen Impfquote, ein wesentlicher Faktor dafür sei Aufklärung. Das aktuelle Hin und Her um die einrichtungsbezogene Impfpflicht findet sie wenig gewinnbringend: "Ich meine auch ganz ehrlich, an alle Politiker hier: Klären Sie das doch intern." Für viel wichtiger hält es die Medizinerin, die allgemeine Impfquote in der Bevölkerung zu erhöhen. "Wenn man keine hohe Immunität in der Bevölkerung erreicht, dann werden wir pandemisch nachsitzen", warnt sie mit Blick auf den Herbst.

"Wir hören raus: Man muss sehr, sehr vorsichtig sein", sagt Anne Will am Ende der Sendung und zieht die Augenbraue hoch. Ob sie das im Hinblick auf das Virus, das Vertrauen in die Politik oder etwas ganz anderes meint, bleibt ihr Geheimnis.

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