Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Vor Gericht:Mord gegen Provision

Lesezeit: 2 min

Weil eine Mieterin nicht aus ihrer Berliner Altbauwohnung ausziehen wollte, setzte ein Makler zwei Killer auf sie an.

Von Verena Mayer

Wer in Berlin lebt, kennt scheußliche Geschichten vom Immobilienmarkt. Von Altenheimen und Kitas, die aus ihren Räumen geklagt werden, damit diese teuer weitervermietet werden können. Von Bruchbuden, in denen Geflüchtete oder Wanderarbeiter zu Wucherpreisen hausen. Von Eigentümern, die Wasser und Strom abdrehen oder die Treppenhäuser verfallen lassen, um Mieter zu vertreiben. Die schlimmste Geschichte aber stammt aus einer Zeit, als es in der Hauptstadt eigentlich genügend bezahlbaren Wohnraum gab, aus den Neunzigerjahren. Was das Verbrechen, das 2001 vor Gericht kam, noch verwerflicher macht.

Es geht um eine Altbauwohnung im Berliner Westen, die zwar sehr groß und auch günstig war (170 Quadratmeter für 900 Mark Miete), für damalige Verhältnisse aber auch nicht außergewöhnlich billig. Warum der Zahnarzt, der sie für 400 000 Mark gekauft hatte, glaubte, damit das schnelle Geld machen zu können, weiß man nicht. Nur, dass niemand ihm die vermietete Wohnung abkaufen wollte. Die Mieterin hatte wiederum nicht vor, auszuziehen. Jeder Immobilienexperte hätte dem Mann nun gesagt: Abwarten, irgendwann wird sich die Investition lohnen. Heute wäre die Wohnung mindestens eine Million Euro wert. Doch der Zahnarzt holte einen Makler ins Boot, und der hatte seine eigenen Methoden. Er rief zwei Männer an, gab ihnen eine Schrotflinte und versprach ihnen 10 000 Mark. Für den Tod der Mieterin.

Die Frau war gerade den ersten Tag nach dem Urlaub wieder an ihrem Arbeitsplatz in einem Autohaus, als ein Mann an ihren Schreibtisch trat und zwei Schüsse abfeuerte. Sie starb kurz darauf, ihr Mörder konnte flüchten. Es dauerte Jahre, bis die Polizei ihm auf die Spur kam und den Grund der Tat herausfand, den der Richter ein "unglaubliches Motiv" nannte. Der Schütze und sein Auftraggeber wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. "Rücksichtsloses Gewinnstreben" habe insbesondere den Makler angetrieben, hieß es in der Urteilsbegründung. Ein weiterer Mann, der den Mörder zum Autohaus begleitete, bekam 14 Jahre Haft. Dem Zahnarzt konnte keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden. Er vermietete die Wohnung nach dem Tod seiner Mieterin für 3000 Mark an einen Bordellbetreiber und verkaufte sie später für 800 000 Mark. Ob er sich zumindest eine moralische Mitschuld an dem Verbrechen gab, blieb offen.

In zwei Prozessen wurde das Mordkomplott aufgerollt. Dass es überhaupt vor Gericht landete, lag an einem Mann, der dabei ebenfalls eine Rolle gespielt hatte. Er war vom Mörder und seinem Helfer beauftragt worden, die Mieterin zu beschatten. 200 Mark hatten sie ihm dafür gezahlt. Doch er habe geahnt, dass "etwas Schlimmes passiert", und sei aus der Sache ausgestiegen. Zwar ging er erst Jahre nach der Tat zur Polizei. Aber er hatte als Einziger so etwas wie Skrupel empfunden.

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