Süddeutsche Zeitung

Fahrradhelm-Kampagne:Safer und sexy

Lesezeit: 2 min

Eigentlich wollte Andreas Scheuer dem Fahrradhelm mit einer Kandidatin von Germany's Next Topmodel zu mehr Beliebtheit verhelfen. Nun sieht sich der Verkehrsminister mit dem Vorwurf konfrontiert, die Werbekampagne sei sexistisch.

Von Oliver Klasen

Womöglich hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer diesen Werbespot ja gesehen, als er vor einigen Jahren öfter im Fernsehen lief: Vorstandssitzung der kriselnden 08/15-Bank. Viele ältere Herren in grauen Anzügen, nur eine Frau in der Runde. "Wir verteilen bunte Fähnchen", sagt einer der Männer. Die Frau erhebt sich und macht einen Gegenvorschlag: persönliche Beratung, überall kostenfreie Geldautomaten und für die Kunden immer eine Filiale in der Nähe. Als die Frau aufzählt, was das kosten würde, geht der Chef dazwischen und entscheidet: "Wir machen das mit den Fähnchen!".

Der Spot persifliert Kleingeistigkeit, Mutlosigkeit, Innovationsfeindlichkeit. Alles Dinge, die Andreas Scheuer weit von sich weist. Er ist schließlich nicht einer dieser langweilig-verstaubten Bürokraten. Er ist, wie er dieser Tage erzählte, einer von denen, die früher im Bus immer hinten sitzen wollten, bei "den Coolen". Klar, im Moment läuft es nicht so gut. Er sei zu nett zu den Autokonzernen, heißt es. Seine Begründung gegen das Tempolimit auf Autobahnen glitt ins Absurde ab. Und dann ist da ja noch die Bahn, die ständig zu spät kommt.

Doch jetzt, endlich, gibt es ein Gewinner-Thema: eine Kampagne für das Tragen von Fahrradhelmen. Dagegen kann ja wohl niemand etwas haben.

Und weil die im Verkehrsministerium irre kreativ sind und echt nah dran an der jugendlichen Zielgruppe, machen sie diesmal alles ganz neu, ganz anders. Keine langweiligen Unfallstatistiken. Kein Polizist, der erklärt, was ohne Helm passieren kann, nein! Sie engagieren eine Kandidatin von Germany's Next Topmodel für die Kampagne. Millionen von Menschen sehen GNTM, wie Kenner sagen. Die Kampagne wird also abgehen wie eine Rakete.

Allein dieser Wahnsinns-Slogan: "Looks like shit, but saves my life" - auf Deutsch: Sieht scheiße aus, aber rettet mein Leben. Also der Fahrradhelm. Andreas Scheuer ist live dabei, als die ersten Plakate der Kampagne aus dem Drucker kommen. Man kann das auf Twitter sehen. Scheuer sagt: "Der Slogan entspricht vielleicht wirklich nicht dem üblichen Behördendeutsch". Stimmt wohl. Er erinnert zum Beispiel an den Slogan auf dem Plakat, auf dem Karl Lagerfeld 2008 für reflektierende Warnweste warb: "Sie ist gelb. Sie ist hässlich. Sie passt zu nichts. Aber sie kann Ihr Leben retten."

Ein Video der Bild zeigt nun Filmmaterial von "Heidis Meeeeeedchen", zu sehen ist Model Alicija beim Fotoshooting mit einem Star-Fotografen in London. "Sie wird einen fantastischen Job machen", sagt eine Mitarbeiterin aus dem GNTM-Team. Und das tut sie dann. Szene 1: Das Model lehnt am Fenster, stützt sich mit dem Ellenbogen am Fensterrahmen ab, weißes, ärmelloses T-Shirt - Helm in blau-schwarz. Szene 2: Das Model rekelt sich auf dem Bett, lasziver Blick nennt man das wohl. Schwarzes Spitzen-Bustier, Helm in blau-gelb.

Hätten die Referenten im Ministerium das gewusst, dass ihre Kampagne auf die Art umgesetzt wird, vielleicht hätten sie sich die Sache nochmal überlegt. Die Frage ist: Hätten sie es sich nicht denken können? Immerhin, hier ließ Heidi Klum einen Spot für die Sicherheit drehen. Auch wenn bisher niemand auf Twitter etwas von "Safer Sex" schreibt: Es gibt jetzt ein paar missgünstige Kritiker, die verstehen die Kunst offenbar nicht.

Die posten auf Twitter zum Beispiel Aufzug-Selfies, dick eingepackt mit Winterjacke, Schal und Tuch vorm Gesicht. "Gott sei Dank, die Dessous-Radlsaion geht endlich wieder los", heißt es da. Werfen dem Verkehrsministerium gar Sexismus vor. Ignorieren den Versuch, dem ästhetisch fragwürdigen Fahrradhelm zu mehr Beliebtheit zu verhelfen.

Den treffendsten Satz zu der Thematik spricht wohl der britische Starfotograf in dem Bild-Video aus: "Es ist eine seltsame Kombination aus Helmtragen und sexy sein".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4378897
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.