Süddeutsche Zeitung

Donald Trump:Ein Tweet ist so viel wert wie eine Umarmung

Lesezeit: 4 min

Donald und Melania Trump kommen ohne echte Berührung aus. Präsidentensohn Barron zeigt, dass er nicht das traurigste Kind im Weißen Haus ist. Stilkritik zum ersten Auftritt der neuen First Family.

Von Johanna Bruckner, New York

Am Tag vor der Inauguration postet Donald Jr., genannt Don, auf Instagram ein Schwarz-Weiß-Foto seines Vaters. Es zeigt Donald Trump in dessen New Yorker Büro am Schreibtisch, rechts und links stehen Don und seine Frau Vanessa. Der Sohn kommentiert das Bild mit den Worten: "Moving on to a new office (Oval)." Übersetzt heißt das in etwa: Auf geht's in ein neues Büro. Hinter dem Wort "Oval" steht ein Smiley, das sich ausschüttet vor Lachen. Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika - ein großer Witz? Ein Schenkelklopfer des Sohnes auf Kosten all jener, die seinen Vater nicht gewählt haben, die ihn offen verachten?

Sicher nicht - auch wenn es manchem Kritiker der neuen First Family so erscheinen mag. Das Leben der Trump-Kinder ist eine Show, in der sie von Geburt an Hauptrollen spielen. Ob sie wollen oder nicht. Bevor ihr Vater den Plan fasste, als Präsident ins Weiße Haus einzuziehen, war er ein TV-Star. Er moderierte Schönheitswettbewerbe und gab in Interviews den Sprüche klopfenden Immobilien-Tycoon. Die älteren Trump-Kinder haben gelernt, ihre Rolle in der väterlichen Inszenierung zu spielen. Und sie wissen, dass in ihrer Welt eine Erwähnung in einem Tweet von "@realDonaldTrump" so viel wert ist wie eine väterliche Umarmung.

Wie es um eine Familie steht, lässt sich oft daran erkennen, wie sie miteinander spricht. Hören die Familienmitglieder einander zu? Verstehen sie einander? Sprechen sie also die gleiche Sprache, im Sinne von einem gemeinsamen Weltverständnis? Zumindest die letzte Frage lässt sich für einen Teil der neuen First Family eindeutig mit ja beantworten. Donald Trump und seine Kinder Don, Ivanka, Eric und Tiffany sprechen die gleiche Sprache. Es ist eine Sprache, die auf Twitter und Instagram stattfindet.

Bei Tiffany und Ivanka wird das Kapitol zum Catwalk

Dort beginnt Tiffany auch den Tag der Inauguration: mit einem Foto, das sie in Abendkleid und Modelpose vor einem Kamin zeigt. Sie habe einen wunderbaren Abend gehabt, schreibt die 23-Jährige, und freue sich auf den anstehenden Tag. Dann bedankt sie sich noch bei Designerin Anne Bowen. Kurz darauf laufen Tiffany (aus Trumps zweiter Ehe mit der amerikanischen Schauspielerin Marla Maples) und ihre ältere Schwester Ivanka (aus erster Ehe mit dem tschechischen Model Ivana Zelníčková) durch das Kapitol in Washington. Bei ihnen werden die marmornen Hallen zum Laufsteg: Augen geradeaus, indifferent-überlegener Blick. Es ist jener Gesichtsausdruck, der sich dutzendfach in hochpreisigen Modemagazinen findet. In ihren weißen Outfits mit Uniform-Elementen wirken Ivanka und Tiffany wie Sternflotten-Generalinnen. Oder hochrangige Mitglieder einer Sekte mit Welteroberungsanspruch.

Es kommt immer auf die Betrachtungsweise an - das wissen Trumps Töchter am besten. Sie sind es gewohnt, als Kinder einer seit jeher streitbaren öffentlichen Figur beurteilt zu werden. Jener emotionslose Blick, er ist vielleicht auch ein Schutzschild.

Wer authentisch ist, ist angreifbar. Er gibt die Kontrolle über das eigene Image ab, überlässt anderen die Interpretation des eigenen Auftretens und Handels. Barron Trump, zehn Jahre alt, ist vielleicht noch zu jung, um dieses Gesetz zu verstehen, das in der medialen Welt gilt, die spätestens jetzt auch seine ist. Als traurigstes Kind, das jemals ins Weißen Haus einzog, wurde er schon bezeichnet. Weil er seine Augen noch nicht hinter einem schützenden Blick verbirgt, sondern ihm Gefühle wie Verunsicherung und Überforderung im Gesicht anzusehen sind. So auch am Tag der Inauguration, als er alleine hinter seinen älteren Geschwister herläuft. Wann immer sich ihm eine Kamera nähert, scheint Barron mit den Säulen im Kapitol verschmelzen zu wollen.

Als seine Mutter Melania später die Tribüne betritt, setzt sie ihr professionelles Lächeln auf, winkt der jubelnden Menge zu und legt dann ihrem Sohn die Hand auf die Schulter. Das ist nicht die offene Emotionalität, die es so einfach machte, die Obamas zu mögen. Ja, es ist schwer vorstellbar, dass es irgendwann Fotos von Melania geben wird, wie sie sich mit ihrem Sohn im Garten des Weißen Hauses im Schnee wälzt. Aber Mutterliebe kann sich manchmal auch in einer kleinen Geste zeigen. Sie wirkt allemal von Herzen kommender als die angedeuteten Wangenküsschen, die Barrons Eltern austauschen.

Vielleicht muss das neue Präsidentenpaar erst in seine neue Rolle hineinfinden. Vielleicht sind Donald und Melania Trump schon seit Jahren der Rolle des Ehepaares entwachsen. Bei ihrem ersten Auftritt als vereidigter Präsident und First Lady kommen die beiden jedenfalls mit einem Minimum an Interaktion aus: eine kurze Ermunterung hier, ein Tätscheln da. Als sie vor dem Kapitol die Obamas Richtung Helikopter verabschieden, hält Donald Trump die Hand seiner Frau. Melania trägt passend zu ihrem hellblauen Ensemble Handschuhe - echte Berührungen gibt es an diesem Tag nicht.

"Sie lernen es auf dem harten Weg"

Einen kurzen Moment gibt es dann aber doch, der erahnen lässt, dass Twitter und Instagram nicht die einzige Art sind, in der die Trumps miteinander kommunizieren. Die Kameras sind dabei, als der frisch vereidigte Präsident die Ernennungsurkunden für die Minister seines Kabinetts unterschreibt. Trump sitzt am Schreibtisch, rechts von ihm stehen seine Enkelinnen Kai und Arabella und verwalten die Schatulle mit den Füllern. Im Raum befänden sich jede Menge Leute, mit denen nicht zu spaßen sei, erklärt Trump seinen Enkelinnen. Und scherzt dann in die Runde: "Sie lernen es auf dem harten Weg." Im Hintergrund spielt Barron Trump "Wo bin ich?" mit seinem kleinen Cousin Theodore (auf dem Arm von Mutter Ivanka). Das Baby lacht, und Barron lacht.

"We will shine for everyone to follow", hatte Donald Trump seinen Anhängern vor dem Kapitol zugerufen. Der selbsternannte Kämpfer für die amerikanische Familie hat nun vier Jahre Zeit, sich überzeugend als Familienmensch zu inszenieren.

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