Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung:Auch ältere Kinder sollen Unterhalt vom Staat bekommen

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Von Ulrike Heidenreich

Es sind knapp 200 Euro zusätzlich pro Kind und Monat, über die sich jene alleinerziehenden Eltern freuen dürfen, die bisher leer ausgegangen sind. Mütter und Väter, die weder den vorgeschriebenen Unterhalt von ihrem Ex-Partner bekommen haben noch den Ausgleich für diesen Verlust vom Staat - schlicht und einfach deswegen, weil ihre Kinder älter als zwölf Jahre sind. Vom 1. Januar 2017 an soll dieser sogenannte Unterhaltsvorschuss lockerer und lebensnäher gestaltet werden: Das Höchstbezugsalter für Kinder wird von zwölf auf 18 Jahre angehoben. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen.

"Gerade, wenn der Partner keinen Unterhalt zahlt, muss der Staat besser unterstützen", sagt Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Die "Formulierungshilfe" des Kabinetts werde nun an die Fraktionen von Union und SPD weitergereicht, um die Reform schnellstmöglich durch Bundestag und Bundesrat zu bekommen. Das Gesetz könnte dann pünktlich am 1. Januar in Kraft treten.

Bisher war die Bezugsdauer von Unterhaltsvorschuss begrenzt, maximal sechs Jahre wurde das Geld Alleinerziehenden überwiesen. Kinder bis zum fünften Lebensjahr haben derzeit Anspruch auf 145 Euro vom Staat, wenn ein Elternteil nicht zahlt. 194 Euro sind es für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Diese Altersgrenze, von Experten immer wieder als "nicht nachvollziehbar" kritisiert, fällt nun ebenfalls.

Es ist wahrlich kein Randproblem, dass ein Elternteil - es sind überwiegend die Väter - nicht zahlt: Die Hälfte aller Kinder von Alleinerziehenden erhält null Unterhalt und weitere 25 Prozent bekommen weniger, als ihnen nach der Düsseldorfer Tabelle zusteht. Manchmal mögen verletzte Gefühle nach einer üblen Trennung dahinter stecken, oft aber haben die Ex-Partner selbst keinen Euro übrig, sind arm oder armutsgefährdet.

In diesen Fällen springt der Staat mit dem Unterhaltsvorschuss ein - mit dem Ziel, das Geld bei den säumigen Zahlern wieder einzutreiben. Dies gelingt gerade mal in kläglichen 23 Prozent der Fälle. Um bessere Druckmittel zu haben, arbeitet man im Justizministerium an Plänen, Unterhaltsschuldnern auch mal den Führerschein entziehen zu können, bis sie zahlen. In anderen Ländern ist dies Usus.

"Ein Stück mehr Gerechtigkeit"

Das Familienministerium rechnet damit, dass zusätzlich mindestens 260 000 Kinder von der Reform profitieren werden. Bisher zahlte der Staat diese Leistung an etwa 440 000 Kinder aus. Die Kostenverteilung ist noch umstritten, der Bund trägt ein Drittel der Kosten, die Länder zwei Drittel.

Nach der Reform müssten der Bund 260 Millionen, die Länder etwa 530 Millionen Euro zusätzlich aufbringen. Die Kommunen fordern, die Reform um ein halbes Jahr zu verschieben. "Die geplante höhere Altersgrenze und ein längerer Leistungsbezug sind weder personell noch organisatorisch so kurzfristig umsetzbar", warnt Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.

Franziska Brantner, familienpolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen, sieht durch die Reform "zumindest ein Stück mehr Gerechtigkeit". Finanzierungs- und Organisationsfragen seien aber nicht ausreichend gelöst, dies führe "für viele Alleinerziehende zu langen Wartezeiten und damit zu anstrengenden Beantragungsprozeduren".

Lob kommt von Holger Hofmann vom Deutschen Kinderhilfswerk, der einen "wirksamen Schutz vor Armut" sieht, aber ebenfalls eine Vereinfachung der komplizierten Regeln fordert. Heinz Hilgers vom Deutschen Kinderschutzbund spricht von der "ersten wirklichen Hilfe" seit Langem: "Das wird einen spürbaren Anteil von Alleinerziehenden aus dem Hartz IV-Bezug und damit aus einem bedrückenden Kontrollsystem holen."

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Quelle:
SZ vom 17.11.2016
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