Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Maria Kwiatkowsky:So eigen, so ungeschützt

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Bei ihr waren die Grenzen zwischen Rolle und Person, zwischen Leben und Spiel, gefährlich dünn. Mit dem frühen Tod von Maria Kwiatkowsky verliert die Berliner Volksbühne eine Diva aus eigenem Recht und mit strahlender Bühnenpräsenz.

Peter Laudenbach

Im Internet kann man sie in einer kleinen Serie sehen, selbst produziert mit Schauspielerfreunden und zum eigenen Vergnügen in die Welt gesetzt. "Torstrasse intim", die selbstironische Sitcom aus dem Leben der Berliner Boheme, ist eine Arbeit der Schauspielerin Maria Kwiatkowsky: Lässig anarchisch, von überschäumender Spielfreude und leicht abgedrehtem Charme.

Spätestens wenn sie als schön schmieriger Entertainer Paff Meisi mit angeklebtem Schnauzer im Kindergeburtstags-Stil lustigen Quatsch von sich gibt, ist klar, dass hier ein schräges Talent noch jede Menge vor hat im Leben und der Kunst. Am Freitag gab die Berliner Volksbühne, in deren Ensemble sie spielte, bekannt, dass Maria Kwiatkowsky am vergangenen Montag gestorben ist. Sie war 26 Jahre alt.

Wer Maria Kwiatkowsky, etwa in Frank Castorfs Inszenierungen "Nach Moskau" und "Der Kaufmann von Berlin", auf der Bühne gesehen hat, wird sie nicht vergessen: Eigen, auch rau, im Spiel gerne in Extreme gehend, nicht wohldosiert und bis in die Fingerspitzen kontrolliert, sondern ganz im Gegenteil eine Schauspielerin der Verausgabung, eine Berliner Diva aus eigenem Recht und mit strahlender Bühnenpräsenz.

Nicht nur im Theater, auch im Kino nahm ihre viel versprechende Karriere in den letzten Jahren Fahrt auf. 2004 wurde die gerade Neunzehnjährige für ihre Rolle in Ayse Polats Film "En Garde" beim Filmfestival Locarno als beste Darstellerin ausgezeichnet. 2010 erhielt sie die Goldene Kamera als beste Nachwuchsschauspielerin. Noch wenige Tage vor ihrem Tod stand sie gemeinsam mit Mario Adorf für den Kinofilm "Die Erfindung der Liebe" vor der Kamera.

Schon als Schülerin spielte sie im Jugendtheater der Volksbühne mit, später trat sie in der Off-Szene auf bis die großen Bühnen sie engagierten. Kwiatkowsky hat nie eine Schauspielschule besucht, sie hat sich alles selbst beigebracht. Das und ihr unübersehbares Talent machten ihr Spiel so eigen, aber auch so ungeschützt: Die Grenzen zwischen Rolle und Person, zwischen Leben und Spiel, waren gefährlich dünn.

In der Jugendlichkeit doch lebensweises Schauspiel

Das führte 2005 zu einer Katastrophe. Die Proben an der Volksbühne mit dem heute zu Recht vergessenen Regisseur Andrij Zholdak, der osteuropäisches Drill-Theater mit westlichem Kunstgewerbe verbindet, waren offenbar eine Qual. Während der Proben entlud Kwiatkowsky ihre Verzweiflung, indem sie nachts in einem Kindergarten Feuer legte. Die Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, für den Schaden von über 400.000 Euro musste die Schauspielerin aufkommen. Sie wechselte von Berlin ans Theater Freiburg, seit zwei Jahren gehört sie wieder zum Ensemble der Volksbühne.

"Mit Maria Kwiatkowsky verliert nicht nur die Volksbühne ein außergewöhnliches Talent. Ihr dynamisches und in ihrer Jugendlichkeit doch lebensweises Schauspiel hinterlässt eine gewaltige Lücke", schreibt das Theater zum Tod der Schauspielerin. Es ist ein Tod, der auch eine große Ratlosigkeit hinterlässt und die Frage, ob das Theater diesen Preis der Selbstgefährdung wert ist.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2011
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