Süddeutsche Zeitung

Netflix-Film "Wir können nicht anders":Blutrausch in Brandenburg

Lesezeit: 2 min

Ein Liebespaar und schießwütige Gangster zwischen Wendefrust, Frauenmangel und Ödnis im deutschen Osten: Detlev Buck sucht brachialen Anschluss an frühere Erfolge.

Von Josef Grübl

Es war einmal vor langer Zeit, da kam ein Kinofilm heraus über zwei nicht besonders helle Männer, die mit einem alten Hanomag-Lastwagen und auf Pferden durch die ostdeutsche Provinz irrten und auf viele Wendezeitverlierer trafen. "Wir können auch anders ..." war eine schwarze Heimatkomödie, die im Jahr 1993 Erfolg hatte und mehrere Bundesfilmpreise gewann. Ihr Regisseur Detlev Buck drehte danach viele weitere Komödien und Pferdefilme, jetzt kehrt er ins ostdeutsche Niemandsland zurück, zu den nicht besonders hellen Männern und Wendezeitverlierern.

Das ist drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung nicht mehr ganz so lustig, deshalb kommt sein neuer Film auch deutlich finsterer daher, als eine Mischung aus Gangster-Thriller und grotesker Heimatkomödie. "Wir können nicht anders" heißt er in Anlehnung an den Vorgänger. Wie so viele Filme zur Zeit war er fürs Kino gedacht, startet jetzt aber auf Netflix. Was gerade dieser Filmidee vielleicht sogar hilft - deutsche Genrefilme haben es beim Kinopublikum immer schwer, auch Buck holte sich mit seinen bisherigen Thriller-Versuchen eine blutige Nase. Im Heimkino findet das Genre noch eher seine Fans.

"In dieser Gegend kommt auf vier Männer eine Frau", sagt der Dorfpolizist drohend

Dort kann eine Extraportion Blut nie schaden, eine abstruse Story und endloses Herumgerenne auch nicht. Erzählt wird die Geschichte von Edda ( Alli Neumann) und Sam ( Kostja Ullmann), die sich im Berliner Nachtleben kennenlernen, Sex in seinem Wohnmobil haben und am nächsten Morgen in ihr Heimatdorf in Brandenburg fahren. Bei einem Quickie im Wald werden sie gestört, getrennt und von schießwütigen Gangstern und Gendarmen verfolgt. "In dieser Gegend kommt auf vier Männer eine Frau", beklagt sich der Dorfpolizist (Frederic Linkemann) bei Edda und hofft auf ihr Mitleid.

Dann will er sie vergewaltigen, doch sie schießt ihm in den Hals. Derweil wird Sam vom Obergangster ( Sascha Alexander Gersak) durch die Gegend gehetzt, immer neue Verstecke muss er sich suchen, im Wald, auf Friedhöfen oder in leer stehenden Lagerhallen. Er erfährt etwas von den Problemen der Menschen in dieser Gegend, vom Wendefrust, der Überalterung, den abgewanderten Betrieben oder dem neuen Logistikzentrum, das dann aber doch nicht gebaut wird. Sogar Flüchtlinge gibt es, sie hetzen mit geklauten Weihnachtsbäumen über den Dorfplatz. Dann aber biegt wieder ein Exekutionskommando ums Eck, und Sam muss weiterrennen.

Es wird viel Blut vergossen, auch die Dorfschönheit (Sophia Thomalla) bleibt irgendwann auf der Strecke. Detlev Buck zitiert sich eifrig durch die Filmgeschichte, hier ein bisschen Hawks, dort etwas Peckinpah, Tarantino oder die Coen Brothers, seine eigene filmische Handschrift ist selbstverständlich auch erkennbar. Besonders gut fügt sich das leider nicht zusammen: Für einen Thriller fehlt die Spannung, für eine Komödie der Witz, für einen ostdeutschen Heimatfilm das Herz. "Wir können auch anders", sagt Eddas Vater (gespielt vom Regisseur selbst) einmal, "wenn wir wollen." Anscheinend wollte er aber nicht.

Wir können nicht anders, D 2020 - Regie: Detlev Buck. Mit: Kostja Ullmann, Alli Neumann, Sascha Alexander Gersak. Mehr Credits auf imdb . 106 Minuten, auf Netflix .

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