Süddeutsche Zeitung

Vielgötterei am Münchner Königsplatz:Kultige Götzen

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Wer heute an Griechenland denkt, bezweifelt wohl, dass die alten Götter ihre schützende Hand noch über Hellas halten. Also wird der ganzen antiken Götterversammlung jetzt in München eine Heimstatt geboten. Der Parcours ist zu einem kurzweiligen Dreischritt geraten.

Johan Schloemann

"Schöne Welt, wo bist du? - Kehre wieder / holdes Blütenalter der Natur! / Ach! nur in dem Feenland der Lieder / lebt noch deine goldne Spur" so besang Schiller "Die Götter Griechenlands". Wer heute an Griechenland denkt, wird leicht wieder von Wehmut erfasst und bezweifelt wohl, dass die alten Götter irgendwo noch ihre schützende Hand über Hellas halten.

Also wird der ganzen antiken Götterversammlung jetzt in München, in den Museen am Königsplatz, eine Heimstatt geboten. Dorthin wollte man schon vor 200 Jahren die Ideale aus dem Altertum retten. Gerade als der Münchner Bau der Propyläen fertig wurde, auf dem der Freiheitskampf der modernen griechischen Nation wie eine Gigantomachie dargestellt ist, scheiterte freilich das Herrschaftsexperiment der bayerischen Dynastie in Athen. Man weiß also so gut wie Schiller an diesem klassizistischen Ort: Der historische Abstand bleibt unüberbrückbar. Das gilt gerade heute, wo die Gustav-Schwab-Kenntnis der Götter- und Heroengeschichten in der Bildung zu zarten Umrissen verblasst ist.

Folgerichtig ist die neue Ausstellung der Münchner Antikensammlungen über die "Götter Griechenlands" halb eine Kunstschau, halb ein mythologisches Lexikon. Sie folgt dem bewährten Konzept, aus eigenen Beständen Themenausstellungen wie "Sport" oder "Starke Frauen" zu formen; das Götterthema gibt aber in der Bildwelt der Griechen so viel her, dass man diesmal mehr denn je aus dem reichen Depot geholt hat.

Es ist die erste Ausstellung unter der Ägide des neuen Direktors Florian Knauß - und man lernt auch gleich, was das heißt, "unter der Ägide": Auf einer Vase sieht man, wie die Göttin Athene ihr magisches goldenes Brustgewand, eben "Ägis" genannt, schützend über die Handwerker hält, die sie als Patronin verehrten. Sieht man von den Heiligtümern ab, so waren die Götterbilder für die Griechen keine Andachtsbilder, sondern Teile des Alltags.

Der Parcours ist ein Dreischritt: Erst die Wesenheit der Götter mit ihren Attributen und Eigenschaften; dann ihr Handeln im Mythos; drittens die umgekehrte Richtung im Kontakt mit den Menschen: Kult und Verehrung.

Aus der Sammlung sieht man Kleinkunst, darunter wunderschöne und berühmte Statuetten und bemalte Gefäße; doch auch größere Modelle und die Vollplastik in der Glyptothek gegenüber sind in die Präsentation einbezogen. Die Griechen kannten keine heiligen Schriften, keine Missionsabsicht, sondern Ehrfurcht und Erzählung; und so fügt sich die Münchner Schau mit einem gründlichen Katalog zu einem umfassenden, aber kurzweiligen Überblick über die ganze Buntheit des Polytheismus.

Die Unsterblichen - Götter Griechenlands. Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München, bis 7. Juli 2013. Info: www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de, Katalog (Verlag Josef Fink): 25 Euro.

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SZ vom 20.07.2012/pak
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