Süddeutsche Zeitung

70. Geburtstag von Ulrich Khuon:Vertrauensmann

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Ulrich Khuon vom Deutschen Theater Berlin ist fast ein bisschen zu nett, um Intendant zu sein. Er ist trotzdem einer der besten - und kämpferischsten. Am Sonntag wird er 70.

Von Christine Dössel

Es gibt unter den Intendanten des deutschsprachigen Theaters Wichtigtuer und Lärmer, Egomanen, Exzentriker und Machos, regieführende Ton-und sonstige Angeber, es gibt sogar einige Frauen. Und dann gibt es noch Ulrich Khuon, der schon deshalb herausragt, weil ihm seine Respektabilität wohl niemand, auch nicht der gehässigste Kollege, absprechen würde. Daher war und ist er oft das Sprachrohr für die anderen und sitzt in allen möglichen Gremien, als Berater, Vermittler, Kommunikator und Moderator.

Ulrich Khuon, noch bis 2023 Intendant am Deutschen Theater (DT) in Berlin, ist ein ausgesprochen leiser, redlicher, verlässlicher Mensch, ein Normalo von schwäbischer Bescheidenheit und darüber hinaus die Freundlichkeit und Dialogbereitschaft in Person. Nicht gerade Eigenschaften, die einen Mann seiner Generation - er wurde am 31. Januar 1951 in Stuttgart geboren - für eine große Karriere im Zampano-Gehege Theater prädestiniert hätten. Und die doch gerade seine Qualität und Integrität ausmachen, seinen Ruf als Vertrauensmann.

Aufgewachsen in Konstanz am Bodensee, was man ihm anhört, studierte Khuon in Freiburg Jura, Germanistik und katholische Theologie - und, ja, man könnte ihn in seiner unauffälligen Seriosität gut für einen Studienrat, Anwalt oder Pfarrer halten. Zum Theater kam er über seine Tätigkeit als Theater- und Literaturkritiker bei der Badischen Zeitung. 1980 wurde er Chefdramaturg am Stadttheater Konstanz, dessen Leitung er von 1988 bis 1993 dann auch schon übernahm. Von da an ging es Richtung Norden und in der Karriere reibungslos voran: Intendanz am Schauspiel Hannover (1993 - 2000), am Hamburger Thalia Theater (2000 - 2009) und seitdem am Deutschen Theater Berlin (DT), diesem großen Haus mit der langen ostdeutschen Tradition.

Als Intendant setzt er auf Kontinuität, hält das Ensemble hoch und pflegt die Gegenwartsdramatik

Das Schauspieler-, Regie- und Autorentheater, für das Khuon steht, hält das Ensemble hoch und pflegt die Gegenwartsdramatik, und zwar mit unerschütterlicher Kontinuität. Khuons Interesse an Sprache, an Stücken, an Geschichten ist so anhaltend und seine Treue zu künstlerischen Weggefährten so groß, dass er dafür auch gerne in Kauf nimmt, schon mal als "zu nett" eingestuft zu werden und sein Theater, gerade im schnoddrig-proletarischen Berlin mit seinen diversen Szenen, als zu brav, zu bürgerlich. Die Berliner Kritiker haben den zuvor Erfolgsverwöhnten nicht geschont, nichtsdestotrotz hat Khuon sich mit seiner soliden Art von Ensemble- und Repertoiretheater behauptet und das DT als Ort für Gegenwartsthemen und unterschiedliche Regiehandschriften (von der literarisch nacherzählenden Daniela Löffner bis hin zum wilden Sebastian Hartmann) fest in der Mitte der Stadt positioniert.

Die Autorentheatertage, die er bereits 1995 in Hannover ins Leben rief, hat Khuon ebenso nach Berlin mitgebracht wie die Regisseure seines Vertrauens, mit denen er das Hamburger Thalia Theater in den neun Jahren seiner Intendanz zu einer der erfolgreichsten Bühnen der Republik gemacht hatte, allen voran Andreas Kriegenburg und Stephan Kimmig. Auch Michael Thalheimer, Armin Petras, Nicolas Stemann und Jette Steckel konnten bei Khuon in Hamburg ihre Stärken entwickeln, nicht zu vergessen die Dramatikerin Dea Loher, deren Stücke eng mit Khuons Theater verbunden sind.

Khuon ist ein Mann, der sehr gut zuhören kann und nachdenkt, bevor er spricht. Dass er sich seit Jahren regelmäßig zur inneren Einkehr in ein Benediktinerkloster begibt, trägt sicherlich zu seiner Gefasstheit und konzentrierten Ruhe bei. Und trotzdem ist er kämpferisch, setzt sich nicht nur für die Belange seines Hauses, sondern für alle Theater ein. Von 2017 bis November 2020 war er Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Als solcher engagierte er sich besonders gegen Angriffe von rechts und gegen Machtmissbrauch im Theater, setzte einen Verhaltenskodex für Bühnen und Orchester durch.

Dass die Theater beim zweiten Lockdown von der Politik unter "Freizeitgestaltung" einsortiert wurden, hat Khuon empört. Er hat sich entsprechend geäußert. Seinen 70. Geburtstag an diesem Sonntag lässt er sich davon hoffentlich nicht verderben. Gut, dass es ihn und seine Stimme gibt.

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