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"The Long Way Down" im Kino:Vier vor dem großen Sprung

Lesezeit: 2 min

Nick Hornbys "The Long Way Down" hat eine herrlich schräge Grundidee, aber dem Roman mangelt es an der Ausarbeitung. Statt dieses Problem zu lösen, vergrößert Pascal Chaumeil es in der Verfilmung. Das Ergebnis ist ein Buddy Movie ohne Buddys.

Von David Steinitz

Als in den unterbeschäftigten Neunzigerjahren die einzige Sorge des neurotischen Mannes war, ob er seine Musiksammlung alphabetisch oder in der Chronologie der Mädchen, die er mit den einzelnen Platten verbindet, sortieren sollte, ergriff Nick Hornby die Gunst der Stunde und legte mit "High Fidelity" einen nahezu perfekten Zeitgeistroman vor.

Später aber wurde es seinen Büchern zum Problem, dass ihre Grundidee meist wesentlich besser war, als es deren Ausarbeitung dann werden konnte - dafür ist "A Long Way Down", erschienen 2005, das treffendste Beispiel: Vier vollkommen unterschiedliche Charaktere - ein abgehalfterter TV-Moderator, eine einsame Mutter, ein trauriger Pizzaboy und ein manisches Hipstergirl - treffen zufällig in der Silvesternacht auf einem Londoner Hochhaus zusammen, um sich in die Tiefe zu stürzen, während unter ihnen die Großstadt glitzert und feiert.

Johnny Depp machte einen Rückzieher

Das klingt erst mal nach einem ziemlich abgedrehten Happening, was sich wohl auch Johnny Depp dachte, der sofort begeistert die Filmrechte optionierte - den Plan aber ebenso schnell wieder verwarf. Denn wie und warum sich dieses Selbstmordquartett zur Selbsthilfegruppe formiert und dann ein immenses Emotionschaos auslöst, ist leider ziemlich lustlos konstruiert.

Der französische Regisseur Pascal Chaumeil, der in den letzten Jahren ein paar hübsche Comedys gemacht hat - zum Beispiel "Der Nächste, bitte!", mit Dany Boon -, ist leider ebenfalls nicht wirklich gewillt, dieses Problem in seiner Adaption zu lösen. Stattdessen vergrößert er es, weil er noch weniger Filmminuten als Hornby Buchseiten investiert, um seine vier Protagonisten zusammenzuzwingen. Das Ergebnis ist ein Buddy Movie ohne Buddys - auch wenn die Hauptfiguren mit Pierce Brosnan, Toni Collette, Aaron Paul und Imogen Poots schön schräg besetzt sind.

Zudem ist Hornby, der den Film mitproduziert hat, zwar ein Meister des inneren Monologs - Chaumeil überträgt das auf den Film, indem jeder der vier Unglücklichen als Erzählstimme zu hören ist -, aber während es in "High Fidelity" noch konsequent war, dass aus der Hauptfigur, dem misogynen Plattenladenbesitzer Robert, hauptsächlich Hornby selbst sprach, wird es in "A Long Way Down", dem Buch wie dem Film, etwas merkwürdig, wenn er auch hier nicht wirklich zwischen sich und seinen Figuren unterscheidet. Weshalb auch das manische Teenie-Mädchen und die frustrierte Mutter denken und handeln wie ein 56-jähriger Mann.

A Long Way Down , GB/D 2014 - Regie: Pascal Chaumeil. Buch: Jack Thorne, nach dem Roman von Nick Hornby. Kamera: Ben Davis. Mit: Pierce Brosnan, Toni Collette, Imogen Poots, Aaron Paul. DCM, 96 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 07.04.2014
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