Süddeutsche Zeitung

"Sin City 2" im Kino:Einfache Konflikte mit brutalen Lösungen

Lesezeit: 3 min

Besoffene Schläger und Ninja-Nutten: Robert Rodriguez und Frank Miller führen die "Sin City"-Reihe fort. Besser als jede Wirtschaftssatire zeigt die Comic-Verfilmung, wie die Gesellschaft funktioniert. Die eigentliche Anziehungskraft macht aber etwas anderes aus.

Von Doris Kuhn

In einer Zeit, in der die Genealogien und Clanstrukturen des Superheldenwesens langsam undurchschaubar werden, macht es "Sin City 2" seinen Zuschauern leicht. In schönstem Schwarz-Weiß zeigt der Film gleich am Anfang ein bisschen sinnlose Gewalt, und schon hebt er sich aus der Masse heraus: Hier handelt es sich um einen Comic, der nicht mit der Wiederherstellung irgendwelcher Ordnungen befasst ist, sondern mit dem Chaos, und er wird keine Superhelden preisen, sondern besoffene Schläger auf Rachefeldzug.

Das ist das Versprechen für ein großes, böses Vergnügen. Regie führen dabei wieder zwei Herren, denen man jederzeit zutraut, es auch einzulösen. Robert Rodriguez ist einer davon, Frank Miller der andere, und obwohl Miller Sin City erfunden hat, kann man davon ausgehen, dass Rodriguez schon lange vorher ein Zimmer in dieser Stadt hatte. Düstere Spelunken sind ein Teil seines Werks seit "From Dusk Til Dawn", und "sinnlose Gewalt" ist sowieso ein Schlüsselwort seines Schaffens. Das Besondere bei "Sin City" aber war schon immer, dass Realfilm und sehr hart gezeichnete Animationssequenzen sich abwechseln. Damit gewinnen die Splatter-Elemente zweifellos an Eleganz.

Melancholische Kerle

Bevor er Regisseur wurde, war Miller Comiczeichner und Autor sowohl für Marvel als auch für DC Comics. Er kam in den Achtzigerjahren zu Ruhm, als er Batman ein neues Image verpasste, was im Kern nichts anderes hieß, als dass er ihn alt, schwermütig und etwas irre machte - Eigenschaften, die sich auf das Personal von "Sin City 2" problemlos übertragen lassen.

Jedenfalls auf das männliche, denn die Kerle, die sich hier in "Kadie's Saloon" an der Bar einfinden, wirken allesamt ziemlich melancholisch. Wenn sie nicht damit beschäftigt sind, den Stripperinnen zuzusehen, trinken sie ordentlich oder nehmen Tabletten, um, wie sie sagen, "nicht wieder verrückt zu werden". Was schade ist, denn man würde sie gern mal verrückter sehen, hauptsächlich um zu wissen, ob sie dann bessere Laune haben. Die Frauen in Sin City hingegen geben dazu den Kontrast, schnell in Bewegung und Gedanken, vor den Kanten der Stadt sind die Linien ihrer Körper weich, wenn sie ihre Cocktailkleider an- oder ihre Korsagen ablegen.

Hier tragen sich nun verschiedene, lose ineinander verflochtene Geschichten zu, ähnlich wie 2005 im Vorläuferfilm "Sin City": Ein junger Spieler reist an und fordert den lokalen Pokerkönig heraus, nicht nur ein-, sondern zweimal, was für größeren Unmut sorgt. Ein liebeskranker Kämpfer wird von der Frau seiner Träume dazu verführt, sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu retten, auch das ein zweifelhaftes Unternehmen.

Ninja-Nutten mit Armbrüsten

In der Altstadt von Sin City regieren verruchte Ninja-Nutten, die mit Armbrüsten einschreiten, wenn die Männer im Kampf zu unterliegen drohen, und das Herz aller Geschichten ist der süße Marv, dargestellt von Mickey Rourke, dessen Gesicht man hinter einer wilden Maske kaum erkennt, dessen Treuherzigkeit aber höchstens von Bruce Willis übertroffen wird, der mehrmals als Geist in Erscheinung tritt.

Dabei bleiben Miller und Rodriguez der Vierzigerjahre-Noir-Verpflichtung des Comics treu bis ins Detail. Die Autos sind schnittig, die Bauten verfallen, die Nacht ist finster und das Wetter immer schlecht. Auch inhaltlich gibt es aus der Düsternis kein Entkommen. Der Film versieht einfache Konflikte mit brutalen Lösungen, so macht er besser als jede Wirtschaftssatire deutlich, wie die Gesellschaft funktioniert: Beziehungen sind Macht, Skrupellosigkeit ist Macht, und Macht ist Macht.

Trotzdem ist das Geschehen hier reine Oberfläche, die Form ist das Ziel. Der Übergang zwischen Zeichnung und Realfilm wirkt beinahe fließend durch das dramatische Schwarz-Weiß, die harten Kontraste, die Kameraperspektiven. Die Handlung wird von Erzählerstimmen vorangetragen, die im besten Schundkrimi-Jargon jede Situation an irgendeinen Schwarze-Serie-Klassiker annähern. Aber wenn man sich im Kino wirklich hinein begibt in diese Comic-Phantasie, dann merkt man, was die eigentliche Anziehungskraft des Films ausmacht: Im Grunde geht es in Sin City nicht anders zu als in jeder deutschen Kleinstadt - die Jungs treffen sich ständig zum Rumhängen in ihrer Lieblingskneipe, und die Mädchen führen sie an der Nase herum.

S in City 2: A Dame To Kill For - USA 2014. Regie: Robert Rodriguez, Frank Miller. Buch: Miller, Rodriguez. Mit Mickey Rourke, Josh Brolin, Joseph Gordon-Levitt, Eva Green. Sony/Splendid, 102 Min. Ab 18.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2014
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