Süddeutsche Zeitung

RTL: Hindenburg:Lebensecht durcheinanderpurzeln

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RTL verfilmt die Katastrophe des Luftschiffs Hindenburg, und schreibt sie gleich ein bisschen um.

Hans Hoff

Von außen ist der RTL-Zeppelin noch viereckig. Es ist ein riesiger Klotz, ein Studiobau, der in den grauen Himmel von Köln-Ossendorf aufragt. Früher beschattete er mal das "Big-Brother"-Dorf, heute liegt er am Parkplatz eines Möbelhauses. Den Menschen, die dort Autos abstellen, dürfte nicht bewusst sein, dass nebenan gerade die Geschichte der Luftschifffahrt sozusagen ein bisschen umgeschrieben wird.

Für mehr als zehn Millionen Euro drehen die Produktionsfirmen Teamworx und EOS Entertainment derzeit die Geschichte jenes Zeppelins, der am 6. Mai 1937 den amerikanischen Luftschiffhafen Lakehurst in ein Flammenmeer verwandelte, 35 Menschen starben. RTL will den Zweiteiler "Hindenburg" 2011 senden.

Im Inneren des Ossendorfer Studioklotzes sieht es aus, als habe ein Riese die vielfältigen Möglichkeiten eines Stabilbaukastens ausprobiert. Silbrig glänzende Gerüste ragen bis unter die 24 Meter hohe Decke und bieten der Kamera Raum für Übertreibungen. "Mit dem Weitwinkel sieht es aus wie 34 Meter", sagt Produzent Sascha Schwingel.

Über diese Metallstreben sollen Verfolgungsjagden führen, die sich Gute und Böse während der Reise liefern. Die Außenhaut des Zeppelins ist indes nur an wenigen Stellen zu sehen. Das meiste wird später am Computer hinzugefügt. RTL profitiert von dem Umstand, dass immer noch über die Unglücksursache gestritten wird. Da kommt es nicht auf jedes Detail an, und so rankt sich nun um die letzte Fahrt der Hindenburg eine wilde Geschichte, in der es um Liebende, Fliehende und Sabotierende geht.

Liebe, Flucht und Sabotage

"Diese Stühle sind sehr original", sagt Produzent Schwingel auf dem Panoramadeck, das so eingerichtet ist, wie man es heutzutage aus schicken Lounges kennt. Sehr original. Besonders stolz sind die Produzenten darauf, dass das ganze Deck um 45 Grad gekippt werden kann, damit die Schauspieler auch lebensecht durcheinanderpurzeln können.

Weil es auch um internationale Vermarktung geht und Stars wie Greta Scacchi, Stacy Keach sowie die aus CSI bekannte Lauren Lee Smith mit an Bord sind, wird auf Englisch gedreht. Eine Herausforderung für die deutschen Schauspieler, zu denen Christiane Paul, Heiner Lauterbach, Hinnerk Schönemann und Ulrich Noethen gehören.

In einer anderen Halle sind die Kabinen aufgebaut. Auch bei denen wurde geschummelt. Ursprünglich waren sie sehr eng und lagen innen, nun haben sie Fenster und sind so geräumig, dass die Kamera Raum für unterschiedliche Perspektiven hat. Gedreht wird nicht auf Film, weil das nun gewählte digitale Aufnahmeformat angeblich bessere Möglichkeiten bietet. Trotzdem werde es nicht aussehen wie bei einer Telenovela, verspricht Regisseur Philipp Kadelbach. Er will "den angestaubten Look wegpusten", sagt er und blickt auf seine Schauspieler, die sehr fein auf 1937 getrimmt wurden.

Bei RTL hat man die Freiheit, das Schicksal der Hindenburg nicht nur original, sondern "sehr original" abzubilden, offenbar sofort als neue Freiheit begriffen. Geschichte ist eben auch, was man draus macht.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2009
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