Süddeutsche Zeitung

Nachruf Ramsey Lewis:Schmerzfrei

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Keine Grenzen zwischen den Genres: Der Jazzpianist und Hitproduzent Ramsey Lewis ist tot.

Von Andrian Kreye

Ramsey Lewis ist tot. Wenn man seine Lebensleistung als Jazzpianist in einen kurzen Moment packen will, dann ist es dieser Anschlag, der mit jeder Note sagte "Funky!". Die Härte, die mikroskopischen Verzögerungen und Beschleunigungen, die Fähigkeit, das jederzeit in der Wohligkeit von Popharmonien aufzulösen, machten ihn zu einem der erfolgreichsten Jazzmusiker aller Zeiten.

Aufgewachsen ist er in den Cabrini-Green Projects, dem Hochhaus-Slum in Chicago, der in den Sechzigerjahren zum Synonym für die urbane Katastrophe werden sollte. Sein Vater förderte seine Musikalität schon früh. Und so wurde Lewis schon als Neuntklässler Pianist bei der Rhythm-and-Blue-Gruppe The Clefs. Als vier der sieben Mitglieder wegen des Koreakrieges zur Armee eingezogen wurden, gründete er mit dem verbliebenen Bassisten Eldee Young und dem Schlagzeuger Isaac Holt sein erstes Trio unter eigenem Namen. Von 1956 bis 1965 etablierte sich die Gruppe zwischen Chicago und New York in der ersten Liga des Modern Jazz. Unter Vertrag waren sie aber nicht bei einem der Jazzlabels, sondern bei Chess Records, der Firma, die mit Chicago Blues und vor allem mit Chuck Berry die Grundlagen für den Rock'n'Roll lieferten. Dort gelang dem Lewis Trio mit dem Stück "The In Crowd" 1965 dann ein Hit, der auf Platz 5 der Pop-Charts landete. Von da an war Lewis über zwei Jahrzehnte lang das Bindeglied zwischen dem Jazz und dem Pop. Puristen hielten das teilweise für arg schmerzfrei. Er landete zwar eigene Songs wie "Wade in the Water" in den Charts, aber oft lieferte er nur die Jazzpop-Fassungen etablierter Hits wie "Hang on Sloopy" oder wenn man sich zum Beispiel das Album "Mother Nature's Son" mit Beatles-Songs und Streichern ohne Vorbehalte anhört, findet man ein Meisterwerk des Pop-Jazz.

Anfang der Siebzigerjahre stieg Lewis aufs E-Piano um. Seine Rhythmusgruppe hatte sich da mit dem Pianisten Gene Harris als eigenständige Hitmaschine Young, Holt Unlimited ausgegründet. Sein neuer Schlagzeuger Maurice White arbeitete bald schon mit seiner eigenen Gruppe Earth, Wind & Fire. Gemeinsam mit denen gelang Lewis dann mit dem Song "Sun Goddess" der Durchbruch in die Fusion-Ära.

Über achtzig Alben hat er im Laufe der Jahre aufgenommen. Er war auch Radio- und Fernsehmoderator. 2007 ernannte ihn die staatliche Kulturstiftung NEA zum Jazz Master. Am 12. September ist er zu Hause in Chicago gestorben. Er wurde 87 Jahre alt.

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