Süddeutsche Zeitung

Podcast "A Piece of Work":Spürst du was?

Lesezeit: 3 Min.

Eine US-amerikanische Comedian geht ins MoMA, stellt sich vor ein Kunstwerk und schaut. Das Ergebnis ist ein Podcast für alle, die sich zu dumm für moderne Kunst fühlen.

Von Julian Dörr

Ein Museumsbesuch kann eine schreckliche Qual sein. Langsam schlendert man durch dieses Labyrinth aus hohen Gängen, der Blick schweift müde an den Wänden entlang, über die Vitrinen, über die Kunstwerke, die Ausstellungsstücke. Ab und zu verharrt er. Und dann schaut man kritisch, streicht sich über das Gesicht oder durch die Haare, runzelt die Stirn. Wenig später dann ein gehauchtes "Ah", die Augen weiten sich zur Erleuchtungsgrimasse. So macht man das doch im Museum, oder? Während man im Kopf lautlos die Sekunden zählt: 21, 22, 23. Wie lange muss ich noch hier stehen bleiben, um den Eindruck zu erwecken, ich wüsste, was ich da tue, und verstünde alles, was ich da sehe?

Was den Ausstellungsbesuch nun aber so besonders quälend macht, ist ja gar nicht mal nur die einfache Tatsache, dass man vieles, was einem da präsentiert wird, schlicht nicht versteht. Viel schlimmer ist das Scheitern am eigenen Anspruch - angefeuert von ein wenig sozialem Druck. Denn man will ja schließlich nicht dieser Depp sein - nicht vor sich selbst und nicht vor anderen -, der sich breitbeinig vor einem modernen Kunstwerk aufbaut und rausblökt: "Das soll Kunst sein? Das kann ich auch." Obwohl man ja genau das hin und wieder denkt.

Für all die Menschen, die im Museum an diesem Dilemma leiden, gibt es jetzt eine Lösung: "A Piece of Work". Ein Podcast für alle, die sich zu dumm für moderne Kunst fühlen. Das Konzept ist so simpel wie genial. Die Comedian und Schauspielerin Abbi Jacobson, bekannt aus der Sitcom Broad City, geht ins New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) und stellt sich vor ein Kunstwerk. Und dann redet sie darüber. Darüber, was sie sieht. Darüber, was sie fühlt. Oder eben nicht sieht und fühlt. Zuerst mit einem hippen Gast aus ihrem großen New Yorker Popkultur-Freundeskreis. Dann mit einem Experten, etwa mit einem anderen Künstler oder einer Kuratorin des MoMA.

Das Großartige an diesen Gesprächen - sie holen einen als Zuhörer genau da ab, wo man steht: mit großem Fragezeichen vor einem großen Kunstwerk. "It's everything you want to know about modern art but were afraid to ask" lautet das Motto der Show. Alles was Sie über Kunst wissen wollen, sich aber nie getraut haben zu fragen. Dieses Versprechen löst "A Piece of Work" von der ersten Minute an ein. Ein Beispiel aus der ersten Folge: Abbi und ihr Comedian-Kollege Hannibal Buress betrachten ein Fahrrad-Rad, das auf einen Holzhocker montiert ist. Natürlich ist das nicht irgendein Fahrrad-Rad, sondern das Fahrrad-Rad , das erste Readymade des französischen Künstlers Marcel Duchamp. Und ein klassischer Vertreter der Kategorie "Hä? Das kann ich auch". Weshalb Gast Buress auch erst mal belustigt am Fahrrad-Rad drehen möchte. Eine Situation, in die man sich nur zu gut hineinversetzen kann.

Aber dabei bleibt es nicht. Auftritt Anne Umland, die MoMA-Kuratorin. Von ihr lernt man dann, dass es Marcel Duchamp bei seinen Readymades eben genau um dieses "Hä? Das kann ich auch" ging. Mit seinen Werken wollte er das elitäre Kunstverständnis seiner Zeit aufbrechen. Den Definitionsrahmen sprengen. Kunst, das ist für alle. Das kommt von allen.

"A Piece of Work" ist eine luftig leichte Kunstgeschichtsstunde. Über abstrakte Kunst, über Minimalismus oder Lichtinstallationen. Eine Kunstgeschichtsstunde, die einen in seiner Unwissenheit ernst nimmt, die die Hemmschwelle senkt, sich mit moderner Kunst zu beschäftigen, weil sie die Angstschwelle auflöst. Getreu diesem eigentlich nervigen Pädagogen-Motto, dass es keine dummen Fragen gibt, sondern nur dumme Antworten. In "A Piece of Work" begleitet man Mode-Bloggerin Tavi Gevinson dabei, wie sie über Jackson Pollocks Farbspritzer und Cy Twomblys kindliche Krakeleien rätselt. Oder man hört den The Roots-Kapellmeister Questlove vor Yves Kleins monochromer Malerei ehrfürchtig schweigen. Was alle Folgen eint: Hier nehmen sich Menschen Zeit, sie schauen, sie spüren und sie teilen ihre Gefühle. Denn es geht nicht um Verstehen, es geht um Fühlen. In der Kunst gibt es kein richtig oder falsch.

"Je länger ich vor diesem Gemälde stand", sagt Abbi Jacobson am Ende über Cy Twomblys Werk, "desto mehr habe ich gesehen. Ich kann nicht behaupten, dass ich jetzt beschreiben kann, um was es geht - oder dass ich es verstehe. Aber ich beginne langsam, mich wohler dabei zu fühlen, Kunst anschauen, die ich nicht wirklich verstehe. Und vielleicht geht es genau darum."

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