Süddeutsche Zeitung

Original des "Harlem Shake":Vom eigenen Hype überholt

Lesezeit: 3 min

Die Simpsons tanzen den "Homer Shake", Norweger wackeln, YouTube flippt als Seite aus: Der "Harlem Shake" findet Nachahmer weltweit. Die "Crazy Boyz" beanspruchen das Original für sich und hoffen mit ihrem eigenen Stil ganz groß rauszukommen. Doch die Zeit läuft gegen sie.

Von Katharina Nickel

Muss es denn immer "Harlem" sein? Maggie tanzt mit Motorradhelm auf dem Kopf lieber zum "Homer Shake". Genau wie nach 15 Sekunden die gesamte Springfield-Bevölkerung im Wohnzimmer der Simpsons. Alles auf Youtube ( zu sehen oben im Video). Die Abermillionen Klicks zeigen: der Sender Fox, der das Video zwecks Promotion am vergangenen Freitag online stellte, hat es mit der eigenen Version des Wackeltanzes richtig gemacht. Und gesellt sich zum Heer der Tanzbesessenen wie den Soldaten der norwegischen Armee, der "grandma edition" oder der ausflippenden Youtube-Seite.

Bei derartigen Ausmaßen des weltweiten Phänomens haben Künstler, die den vielfach kopierten Stil für sich beanspruchen, nicht lange auf sich warten lassen. Mehr noch: Sie entrüsten sich über dessen Identitätsverlust. "I'm not a hater", sagte Maurice "Motion" Strayhorne, einer der "Crazy Boyz", der New York Times (NYT). Doch scheine es aufgrund der Masse an Videos so, als würden die Nachahmer den Tanzstil geringschätzen.

Generell ist der Ablauf der 30-sekündigen Videos immer gleich: Zu Beginn befindet sich eine Gruppe von Menschen in einer Alltagssituation, etwa auf dem Campus. Setzt die Musik ein, tanzt ein Beteiligter, hervorgehoben durch Maske oder Kostüm. Die anderen Personen ignorieren dies zunächst, steigen jedoch mit ein, wenn nach 15 Sekunden mit der Textzeile "Do the Harlem Shake" der Bass einsetzt. Sie hüpfen und zappeln nun ebenfalls in Kostümen, häufig Ganzkörperanzügen oder Arbeitskleidung. Mittlerweile hat Youtube sogar einen eigenen "Harlem Shake", der erst nur das Logo, dann die ganze Seite wackeln lässt. Der Shake ist Mainstream geworden.

Die "Crazy Boyz" wollen sich bewusst von der Flut an Standard-Videos abheben. Sie sind eine Tanzgruppe aus Harlem, bestehend aus vier jungen Männern. Neben Strayhorne gehören noch Jesse "Smiley" Rutland, Joseph "No Bones" Collins und Kirkland Young, genannt "Dirty Kirk", dazu. Sie leben ihren "Harlem Style" bereits seit den späten neunziger Jahren, als sie in der Bronx Mädchen aufreißen wollten, wie sie selbst im NYT-Interview verrieten.

Erfolg hatten sie damit vielleicht nicht immer, dafür jedoch mit ihrem "Original Harlem Shake". Vor gut einer Woche wurde der US-Radio-Sender Power 105.1 FM auf die Jungs aufmerksam. Zusammen produzierten sie ein Video, das danach auf der Webseite des Senders veröffentlicht wurde. Wie die "Boyz" der NYT erklärten, trägt das Video die klare Botschaft: "Wir nehmen unseren Tanz ernst." Im Gegensatz zu allen anderen, soll das wohl heißen. Wie der Tanz richtig geht, zeigen die "Boyz" im vierminütigen Video. Die Beteiligten sind nicht kostümiert, bis auf einen Tänzer mit einem Wikingerhelm auf dem Kopf. Eine Überschrift erklärt: "This is Harlem".

Ihre Version zeige den "Harlem Shake" so, wie er Anfang der achtziger Jahre vertreten war: technisch ausgefeilter, fließender in den Bewegungen, ausgelassener. So wie es damals Albert Boyce, genannt Al. B., vormachte. Dieser dünne Mann wollte auf dem Harlemer Basketballfeld Rucker Park die Massen unterhalten und mobilisierte sie mit seinem "Harlem Shake" in den Spielpausen zum Tanzen. Das Online-Magazin The Fader erklärt, wie der Tanzstil erst in den späten neunziger Jahren dann Standard in vielen amerikanischen Hiphop-Videos wurde. Die "Crazy Boyz" behaupten, sie hätten Al. B.s Version auf ein neues Level gebracht. Der NYT sagten sie, sie hätten ihn für die Masse popularisieren wollen.

Tanzen für die Reality-Show

Popularisierung ist eine Untertreibung, wenn Youtube mehr als 460.000 Ergebnisse zum "Harlem Shake" ausspuckt. Trotzdem sind die Videos anders als die von den "Crazy Boyz" beanspruchte Urfassung. Die "Boyz" sind in der Flut der aktuellen Filmchen weder vertreten noch an den Varianten beteiligt, verdienen selbst also nicht an diesem Erfolg.

Die großen Gewinner sind vielmehr Youtube und der Produzent des zum Tanz-Hype gehörigen Musiktracks, ähnlich wie bei Psys "Gangnam Style". Wie CNN vorgerechnet hat, ist die wirklich spannende Frage, wie viel der Produzent Baauer daran verdient, dass sein Track durch den Tanz-Hype überall zu hören ist.

Davon, echte Youtube-Gewinner zu sein, sind die "Crazy Boyz" selbst dagegen weit entfernt. Dass das für sie auch nicht im Mittelpunkt steht, deutet ihre Entscheidung an, ihr eigenes Video über einen anderen Kanal zu publizieren.

"Smiley", "No Bones", "Dirty Kirk" und "Motion" wollen als Künstler ernstgenommen, aber auch bekannter werden. "Wir würden gerne sehen, dass unser Stil gewürdigt wird", sagte Strayhorne der NYT. Seitdem die Youtube-Version ihres Originals im Netz stand, hörten die Telefone angeblich nicht auf zu klingeln. Fernsehsender wären am "Go Crazy" Stil der Tänzer interessiert und hätten um Gastauftritte gebeten. Die Jungs wiederum träumen schon von einer eigenen Reality-Show.

Gerne hätten sie ihr eigenes Format, mit dem sie ihren Stil und den anderer New Yorker Tanzgruppen vorstellen könnten. Im echten Harlem sei der "Shake" schließlich immer noch das, was Al. B. einst im Rucker Park vormachte und das möchten sie der Welt zeigen. Allerdings könnte die Boyz auch zu den Verlieren der "Harlem Shake"-Geschichte werden. Wenn sich nämlich langsam alle an dem Tanz sattgesehen haben, bevor sich Träume wie eine eigene TV-Show verwirklichen lassen. Und tatsächlich wird das Ende des Trends bereits vermeldet.

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