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Neu im Kino: "Stolz und Vorurteil und Zombies":Jane Austen in der Zombie-Apokalypse

Lesezeit: 3 min

Wie viel Zeit bleibt für die Liebe, wenn die Untoten angreifen? Die Horrorkomödie "Stolz und Vorurteil und Zombies" kreuzt britische Romantik mit "The Walking Dead".

Filmkritik von David Steinitz

Bsssssss ist ein gutes Geräusch. Solange es Bsssssss macht, gibt es kein Problem. Nur wenn das Summen plötzlich aufhört - Zombiealarm!

Der findige Mr. Darcy (Sam Riley) trägt stets ein kleines Glas Schmeißfliegen mit sich herum, die ihm als zuverlässiger Zombiedetektor dienen. Vermutet er in einer Menschenmenge unter einem schicken aristokratischen Zwirn einen Untoten, lässt er die Tierchen frei. Weil diese ein besonderes Faible für verwesendes Fleisch haben, schwirren sie ein Weilchen suchend herum - und lassen sich dann, genüsslich schlabbernd, auf dem zu identifizierenden Zombie nieder.

England erlebt eine schreckliche Epidemie der Untoten in diesem Film, und deshalb ist der wohlhabende Aristokrat Mr. Darcy als passionierter Zombiejäger und Schmeißfliegenzüchter eigentlich voll ausgelastet. Eine fast noch größere Plage als die menschenfressenden Wiedergänger stellen aber all die unverheirateten Adelsmädchen dar, die ihm beständig nachstellen und auf Vermählung dringen - das dauerhafte Singledasein ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine Option.

Große Liebe und blutrünstige Fantasy-Monster

Das Mashup-Kunstwerk "Stolz und Vorurteil und Zombies" will aber nicht nur blutdürstige Horrorfans befriedigen, sondern auch Romantiker. Also lernt der misogyne Mr. Darcy doch noch eine Frau kennen, wie ihm noch keine begegnet ist: Elizabeth Bennet (Lily James) ist Anfang zwanzig und damit auf dem gnadenlosen Hochzeitsmarkt der Regency-Ära quasi schon Fallobst. Trotzdem will sie keinen Mann heiraten, besonders nicht den arroganten Mr. Darcy - und vor Zombies kann sie sich auch gut selbst verteidigen. Nur fragen sich die beiden alsbald heimlich: Könnte es nicht auch sehr romantisch sein, gemeinsam den Untoten die hässlichen Schädel einzutreten?

Als die BBC vor einigen Jahren eine Umfrage machte, welche heimischen Romane den Engländern die liebsten sind, landete Janes Austens Schmalzpaket "Stolz und Vorurteil" aus dem Jahr 1813 auf Platz zwei. Und sieht man sich an, welcher Roman diesen legendären Liebesreigen als einziger überholen konnte, ist auch sofort klar, was den Briten bei Austen noch gefehlt hat: auf Platz eins steht "Der Herr der Ringe". Schwerter! Schlachten! Fantastische Geschöpfe!

Während die Briten akzeptiert zu haben schienen, dass man einfach nicht beides haben kann - die große Liebe und blutrünstige Fantasy-Monster - sagte sich exakt 196 Jahre nach Jane Austen der amerikanische Autor Seth Grahame-Smith: Da muss man doch was machen! Und weil die geschäftstüchtigen Amerikaner einfach ein Gespür für den guten Deal haben, vor allem wenn die Rechte an einem Klassiker so lange verjährt sind, dass sie nichts mehr kosten, wusste er, was zu tun war.

Grahame-Smith ist nicht nur ein versierter Hollywood-Drehbuchautor, der unter anderem "Dark Shadows" für Tim Burton geschrieben hat, sondern auch ein erfahrener Mashup-Artist: Von ihm stammt auch der Besteller "Abraham Lincoln: Vampirjäger", in dem er die Biografie des bärtigen US-Präsidenten sowie den Sezessionskrieg etwas anders erzählt, als die Geschichtsbücher es tun.

Der Film geisterte jahrelang halb tot durch Hollywood

Die Verlage fragen also regelmäßig bei ihm nach, was denn so als nächster Popkultur-Cocktail auf dem Programm steht. Und weil nach vielen zombiearmen Jahren gerade wieder Untotenkonjunktur herrschte, zum Beispiel in Hitserien wie "The Walking Dead", pürierte Grahame-Smith "Stolz und Vorurteil" 2009 im Zombiefleischwolf. Braucht's das wirklich, fragten die Jane-Austen-Puristen schon damals, und sie fragen es sich anlässlich der Verfilmung jetzt wohl wieder. Die Antwort lautet aber eindeutig: ja.

Zwar kommt die Filmadaption etwas verspätet, weil das Projekt durch diverse Verzögerungen selbst zum Zombie wurde, halb tot durch Hollywood geisterte und jahrelang auf Wiederbelebung wartete. Immer wieder wurde es herumgereicht, zeitweise wurden Natalie Portman und der Regisseur David O. Russel für die Verfilmung gehandelt. Nun aber hat es im noch recht unbekannten TV-Regisseur Burr Steers einen guten Recyclingkünstler gefunden.

Denn wenn man am Ende einer Verwertungskette steht, die aus einem weltberühmten Klassiker mit heiß verehrten Protagonisten ein Spaßbuch gemacht hat, das nun wiederum im Kino als Horrorkomödie funktionieren soll, kann man natürlich viel falsch machen.

Lustig ist sein Film aber vor allem deshalb geworden, weil er die abgewandelte Grundkonstellation so ernst nimmt, wie es nur gute Komiker tun. Er lässt seine Schauspieler in keiner einzigen Szene aus dem melodramatischen Pathos fallen, das sowohl von der Liebesgeschichte als auch von der Zombiekatastrophe gefordert wird. Das macht die ursprüngliche Figurenzeichnung von Austen nicht kaputt, sondern im Gegenteil - es unterstreicht die Charakterzüge der Protagonisten weiter: Mr. Darcy bleibt der Prototyp des eisigen Mannes mit weichem Kern. Und Elizabeth, die hier jede Menge Messer unterm Korsett trägt und in einem chinesischen Shaolin-Tempel in der Kampfeskunst geschult wurde, ist als tatkräftige Lady des 19. Jahrhunderts wesentlich emanzipierter und aufregender als die meisten modernen Frauenfiguren, die sich Hollywoods Drehbuchautoren sonst so ausdenken.

Pride and Prejudice and Zombies , USA 2016 - Regie, Buch: Burr Steers, nach den Romanen von Jane Austen und Seth Grahame-Smith. Kamera: Remi Adefarasin. Mit: Lily James, Sam Riley, Bella Heathcoat, Jack Huston, Millie Brady. Universum / Square One, 107 Minuten.

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SZ vom 09.06.2016
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