Süddeutsche Zeitung

Leben auf dem Mars:Die letzte große Utopie der Menschheit

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Elon Musk, der große Autoverkäufer und Elektrovisionär des 21. Jahrhunderts, möchte auf den Mars ziehen. Was fasziniert die Menschen bloß an diesem unwirtlichen Planeten?

Glosse von Gerhard Matzig

Vom Polarforscher Ernest Shackleton, einem großen Visionär des 20. Jahrhunderts, ist mehr als eine Zeitungsanzeige in Erinnerung. Etwa sein Grab, wo seit bald 100 Jahren zu lesen ist: "Ein Mann sollte um den Preis des Lebens nach dem Äußersten streben." Und nun zu einem der großen Autoverkäufer des 21. Jahrhunderts: Elon Musk. Von diesem elektrifizierten Visionär weiß man, dass er Shackleton verehrt und dass er in sieben Jahren auf dem Mars leben will. "Ich rede davon, dort hinzuziehen", sagte Musk am Sonntag.

Allerdings wisse er auch, dass auf dem Mars "brutale Bedingungen" herrschen, "es wird hart". Dennoch sei das All der letzte große Sehnsuchtsort der Menschheit. Eine finale Utopie. Eigentlich dachte man ja, dass Musk mit seiner Raumfahrtfirma Space-X russische Oligarchen, chinesische Milliardäre und Friedrich Merz als Repräsentanten der gehobenen deutschen Mittelschicht in touristisch noch unerschlossene, ebendrum aber auch unendliche Weiten schaufeln will. Mittlerweile ahnt man jedoch, warum Musk, der an Los Angeles schon wegen der Staus und eines eklatanten Mangels an Parkraum leidet, nun selbst zum Mars aufbricht. Notfalls sogar, um dort shackletonhaft den Preis des Lebens zu entrichten - "um zu sterben".

Wie es der Zufall will, ist am Montag quasi als funerale Vorhut schon mal die Mars- mission Insight in Form eines Roboters nach einer rund 485 Millionen Kilometer langen Reise auf dem Mars gelandet. Die ersten Bilder von dort zeigen eine zur Landung bestimmte Ebene namens Elysium Planitia. Einer der Nasa-Verantwortlichen schwärmt von diesem Elysium: "Dort sieht es aus wie auf einem großen, öden Parkplatz." Staubig. Lange habe man nach einem derart arkadischen Ort gesucht. Als Bewohner des von SUVs belagerten Sehnsuchtsortes München-Schwabing oder des umdieselten Berlin-Mitte-Elysiums kann man das Glück eines freien Parkplatzes am Ende einer monatelangen Suchaktion gut nachvollziehen. Der Parkplatz: Das ist, Staub hin, Ödnis her, Tod: sei's drum, die letzte große Utopie der Menschheit.

Der Neumarsianer Musk weiß als Shackleton-Epigone natürlich, dass der Polarforscher einst mithilfe dieser Zeitungsanzeige nach kühnen Gefährten für die Reise zum Südpol suchte: "Männer für gefährliche Reise gesucht. Geringer Lohn, bittere Kälte, lange Monate kompletter Dunkelheit, ständige Gefahr, sichere Rückkehr ungewiss." Das zog. Allerdings versprach Shackleton auch "Ehre und Anerkennung im Erfolgsfall". Davon kann heute keine Rede mehr sein, wer aber um den Preis des Lebens nach dem Äußersten streben mag, dem winkt auf dem Mars ein Parkplatz. Gewiss, das Leben dort oben wird hart, brutal und möglicherweise endlich. Aber hey: ein Parkplatz!

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Quelle:
SZ vom 28.11.2018
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