Süddeutsche Zeitung

Komödie:Casting für Flüchtlinge

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Die deutsche Komödie "Willkommen bei den Hartmanns" mit Elyas M'Barek und Senta Berger sieht ein bisschen aus wie ein Werbeclip, atmet aber trotzdem den Geist von Helmut Dietl.

Von Kathleen Hildebrand

Ist das noch Kinowerbung oder schon der Film? Wer zu spät kommt in die Vorstellung der deutschen Komödie "Willkommen bei den Hartmanns" könnte ein bisschen verwirrt sein. Der Beginn des Films sieht aus wie eine Aneinanderreihung von Werbeclipwelten. Da sitzt ein sympathischer junger Mann mit dunkler Haut auf den blauen Polstern einer Münchner Trambahn, als wolle er den öffentlichen Nahverkehrsbetrieb lobpreisen, die Morgensonne strahlt durchs Fenster. Elyas M'Barek joggt an der glitzernden Isar entlang, es fehlt nur noch das Logo eines Fitnessstudios. Und dann topft Senta Berger im Garten einer Villa Hortensien um, als wolle sie aufs örtliche Gartencenter verweisen.

Tatsächlich ist "Willkommen bei den Hartmanns" aber kein Werbefilm. Jedenfalls kein naiver, auch nicht für sein eigentliches Thema, die deutsche Willkommenskultur. Das sieht man schon daran, dass Senta Berger eine pensionierte Schuldirektorin spielt, die zwar einen Flüchtling in ihre Villa aufnehmen möchte, aber eben bitte nur einen einzelnen, einen ohne verschleierte Ehefrauen und ohne lärmende Kinder, aber mit Deutschkenntnissen. Sie hat einen etwas hohen Weißweinkonsum, der sie schon vormittags recht vernuschelt sprechen lässt. Ihr Chefarzt-Gatte (Heiner Lauterbach) würde sich lieber die Falten wegspritzen lassen, kommt aber doch kurz zum Flüchtlings-Casting vorbei. Als der perfekte Kandidat (Eric Kabongo) gefunden ist, kommt es zu heiteren Kulturkonfrontationen. Besonders hübsch: Wie er die nach deutschen Maßstäben immer noch jungen Schauspieler M'Barek und Palina Rojinski auf ihr hohes Alter anspricht ("Wo deine Kinder? Du alt!").

Der Regisseur Simon Verhoeven hat eine sehr aktuelle Mainstream-Komödie gedreht, die charmant und lustig ist. Sie funktioniert, weil sie eine Typenkomödie im besten Sinne ist, eine, die jeden ihrer Typen liebevoll aufs Korn nimmt. Die Pegida-Paranoiker, die vor der Villa mit Mini-Fackeln "Si-cher-heit!" skandieren, genauso wie die Alt-68erin, deren enthemmte Willkommensparty für Diallo die Polizei anrücken lässt. Man kann fast sagen: Über all den überdrehten München-Klischees schwebt ein wenig der Geist von Helmut Dietl.

Willkommen bei den Hartmanns , D 2016 - Regie, Buch: Simon Verhoeven. Kamera: Jo Heim. Mit: Senta Berger, Elyas M'Barek, Florian David Fitz, Palina Rojinski. Warner, 116 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 03.11.2016
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